Kraft

Ich hatte immer viel Kraft, auch wenn es sich nicht immer so angefühlt hat. Sehr oft funktionierte ich einfach nur mehr. Denn auch die größte Kraft ist irgendwann zu ende, wenn man sie permanent für das falsche einsetzt.

Vor einem Jahr hatte ich gar keine Kraft mehr. Ich heulte 24 Stunden am Tag durch und wollte nur mehr schlafen. Natürlich ging ich trotzdem arbeiten. Im Büro unterdrückte ich zwar die Tränen, doch mein Herz und meine Seele weinten trotzdem. Vor genau einem Jahr war ich todunglücklich und am Ende meiner Kraft.

Wenn ich nach der Arbeit noch einkaufen gehen musste, kostete mir das eine ungeheure Überwindung. Es war ein richtiger Kraftakt für mich. Ich wollte nach der Arbeit nur mehr nach Hause in mein Bett und weiter leiden. Meine Kraftreserven waren damals total erschöpft. Was nicht unbedingt notwendig war, wurde damals von mir auch nicht gemacht. Ich traf mich nicht mit Freunden und auch nicht mit meiner Familie. Ich wollte mich nicht anziehen. Wollte nicht rausgehen. Wollte nichts unternehmen. Wollte nur, dass der Schmerz in meinem Inneren nachlässt. Ich war am Ende.

Ich kann mich heute noch ganz genau daran erinnern, auch wenn ich es, Gott sei Dank, heute nicht mehr fühlen kann. Es ist als wäre das jemand anderem in einem anderen Leben passiert. Ich kann es nachvollziehen und verstehen, wie es mir damals ging, doch wenn ich mir klar mache, dass das ich selbst vor genau einem Jahr war, kann ich es kaum glauben.

Im letzten Jahr habe ich gelernt mir meine Kraft einzuteilen und für Dinge zu verwenden die mir gut tun. Und ich habe gelernt meine Kraftreserven auch regelmäßig aufzuladen. Meine „Krafttanks“ sind prall gefüllt und sind in dem letzten halben Jahr, niemals auf weniger als die Hälfte gesunken. Ich habe den Stand der Reserve im Blick, wie auch beim Tank in meinem Auto. Auch dort weiß ich, wie weit ich mit dem verbleibenden Tank noch komme. So mach ich das auch mit meinen Kraftreserven. Natürlich ist das nicht ganz so einfach, wie bei meinem Auto, aber wenn man ein wenig lernt auf seinen Körper zu hören, dann kriegt man das hin.

Ich habe mittlerweile auch Freunde, die meinen Krafttank nicht leeren. Sie brauchen zwar hin und wieder ein wenig Kraft von mir, doch sie geben mir dafür auch wieder etwas retour. Sie gehen zum Beispiel mit mir wandern, während sie meine Kraft brauchen. Da ist dann bei meinen Kraftreserven gar nix passiert. Ich schenke meine Kraft meiner Freundin und gleichzeitig, generiere ich wieder Kraft, durch die Schönheit der Natur. Oder sie regen meine Kreativität an und auch durch das Schreiben, erlange ich Kraft. Alles was glücklich macht, spendet Kraft und je glücklicher ich selbst bin, desto mehr kann ich anderen helfen.

Vor 2 Tagen habe ich wieder mal Kraft hergeschenkt. Ich habe sie in Menschen investiert, die ich zuvor nicht kannte. Doch sie haben meinen Weg gekreuzt und so hab ich versucht ihnen zu helfen. Ob es funktioniert hat, weiß ich nicht. Wenn wir Kraft spenden, sehen wir nicht immer gleich das Ergebnis. Oftmals wird das erst später offensichtlich, oder auch gar nicht. Es gibt auch Menschen die versuchen meine Energy aufzusaugen und ich hab das Gefühl, einem schwarzen Loch, gegenüber zu stehen. Die saugen und saugen, und es verändert sich bei ihnen nichts zum Positiven. Da liegt es dann an mir zu entscheiden, ob ich das weiter mitmache. Es gibt Menschen, da lasse ich es und es gibt jene, wo ich ihnen noch ein wenig Zeit gebe. Wo ich mich bewusst dazu entscheide, ihnen noch für ein paar weitere Wochen Kraft zu schenken.

Doch der große Unterschied zu früher ist, ich mache es bewusst. Früher wurde mir Kraft unbewusst abgesaugt und ich habe auch nie bewusst den Tank aufgefüllt. Früher hat es irgendwie immer gerade so gereicht. Bis zu jenem Punkt vor einem Jahr. Da ging nichts mehr. Da war mein Krafttank leer. Kein einziger Tropfen war mehr vorhanden, und ich hab mich nur mehr mit den letzten Tropfen in der Leitung weiter bewegt. Doch das ist Vergangenheit. Heute weiß ich, ich habe sehr viel Kraft zu geben, und tue es auch gerne, doch ich achte auch darauf, meinen Krafttank immer wieder aufzufüllen.

© Libellchen, 2011

2 Kommentare zu “Kraft

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