Leben in der Krise

Ach Gott, wo soll ich bloss anfangen…

Ich war schon sehr lange nicht mehr hier. Und das hatte mehrere Gründe. Als mein Vater damals den Blog das erste Mal sah, meinte er „Wieso schreibst du teilweise so banale Dinge in dem Blog? Hast du niemand mit dem du darüber reden kannst?“ Und nein, hatte ich nicht. Wenn mich Dinge aus dem Büro nervten, dann konnte ich das zu Hause niemand erzählen. Also schrieb ich es hier nieder.

Im letzten halben Jahr änderte sich mein Leben rapide. Ich engagierte mich bei einer Bürgerliste im Ort. Lernte Leute kennen, war ständig unterwegs. Meinen Geburtstag feierte ich mit einer Gruppe von Leuten. Heute weiß ich, mit dem jetzigen Bürgermeister und zwei Gemeinderäten. Bei meinem neuen Job war auch ständig was los. Stammtisch einmal im Monat. Sektfrühstück wenn jemand Geburtstag hatte. Ich pendelte. War ständig unterwegs. Dann kam der Wahlkampf. Da war ich überhaupt nicht zu Hause. Nach der Arbeit ging es sofort zu Hausbesuchen oder zum Strassenwahlkampf. Dann der Wahltag. Das unglaubliche super tolle Ergebnis. Wir haben fünf Mandate mehr geholt. Das haben wir natürlich ausgiebig gefeiert. Wir sind uns buchstäblich in den Armen gelegen. Haben uns umarmt, miteinander getanzt und uns abgebusselt.

Kurz nach der Wahl erfuhr ich dass ich nicht nur Gemeinderätin bin, sondern geschäftsführende Gemeinderätin. Somit mehr Verantwortung und auch Teil des Gemeindevorstandes. Ich war innerhalb eines halben Jahres von nicht politisch engagiert, zu extrem wichtig auf Gemeindeebene aufgestiegen.

Danach war ich krank. Mein Immunsystem fuhr ein wenig zu weit runter. Ich lag zwei Wochen zu Hause. Und mir ging es gar nicht gut. Ich war froh, als es vorbei war. Dann ging es los. Politik und Arbeit unter einen Hut bekommen. Aufgrund meiner finanziellen Verpflichtungen versuchte ich es ohne größere Freistellung (mit Gehaltseinbußen) hinzubekommen. Also war ich wieder unterwegs bzw. auch zu Hause beschäftigt. Ich saß abends nicht herum und schaute fern oder spielte ein Computerspiel. Ich hatte zu tun. Eigentlich immer. Und es tat mir gut. Es forderte mich und setzte Energien frei.

Schritt für Schritt bekam ich alles zusammen.

Und dann kam Corona und würfelte mein Leben durcheinander. Wie das so vieler anderen Menschen auch!

Ich muss gestehen, ich habe es echt unterschätzt. Verstand die Panik anfangs nicht. Dazu muss man sagen, da war Italien noch bei weitem nicht so schlimm und ich nicht so informiert.

Was ich wirklich sagen muss – als Nicht-größter Fan unserer Bundesregierung – sie machen ihre Sache wirklich gut. Also Krisenmanagement können sie! Sie informieren. Sachlich, mit Zahlen, Daten, Fakten, treffen Entscheidungen und setzen die auch um. Ich will und kann nicht überall ins Detail gehen. Ich rede jetzt mal vom Großen und Ganzen. Mir war klar als mich mein Dienstgeber einfach ohne Arbei mal heimschickte – weil nicht systemrelevant – dass es ernst ist. Das würden sie nicht machen, wenn es nicht ernst wäre.

Erst danach ging es los mit den Detailinfos. Was ich die letzten Wochen über Virusinfektionen, Herdenimmunität, Durchseuchung, Testungen, Statisken, etc. gelernt habe ist unglaublich!

Tja, ich bin jetzt die zweite Woche – mehr oder weniger – zu Hause. Im sogenannten Home Office. Also ich mache definitiv Home Office. Ich putze, wasche meine Wäsche, bügle, mache die Ablage und halte mich informiert. Was in meiner Abteilung auch als echte Arbeit gilt! Und ich danke allen meinen Schutzengeln, Gott, Universum, wem auch immer für meinen Arbeitgeber. Und ich habe zur Zeit sogar zwei davon. Ich bekomme auch von der Gemeinde Geld für meine Tätigkeit. Die zur Zeit sogar mehr Arbeit bedeutet als meine eigentliche Arbeit!

Irgendwie ist mein Leben gerade ein wenig surreal. Jahrzehntelang habe ich mich abgerackert und einen Bruchteil von heute verdient. Jetzt sitze ich zu Hause im Home Office, bekomme auch noch von der Gemeinde Geld dafür dass ich mich in die Untiefen des Gemeindebudgets begebe – was mir enormen Spaß macht -, arbeite gefühlt gar nichts (was nicht stimmt) und bekomme uuuuur viel Geld – für meine Verhältnisse.

Und ich weiß, dass viele Leute heute vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Und ich hatte das in meinem Leben auch schon öfter. Die Verzweiflung nicht zu wissen, wo man nächstes Monat wohnt, wie man sich die Lebensmittel finanziert. Die Angst die einen lähmt. Ich habe sie öfter gefühlt. Doch diesmal stehe ich auf der anderen Seite. Und ich weiß nicht warum. Wieso jetzt. Wieso ich. Aber ich bin sehr dankbar dafür!

Nach der Wahl, nach meiner Versetzung auf den Arbeitsplatz den ich wollte, nach meiner Benennung zur geschäftsführenden Gemeinderätin meinte mein Chef zu mir „Du hast gerade einen echt guten Lauf!“ Und ja, den hatte ich. Und so hart es klingt – den habe ich immer noch.

Und ganz ehrlich. Es ist mein erster in meinem ganzen Leben. Aber darf denn so was überhaupt sein in einer Krise?

@ Libellchen, 2020

9 Kommentare zu “Leben in der Krise

      • Eigentlich brauchst du kein schlechtes Gewissen haben, denn du hast ja auch etwas dafür getan. Du hattest dich über Jahre in der alten Stelle abgekämpft, bist da ständig ausgebremst worden und hast dann etwas riskiert. Du hast dich arrangiert und Kontakte geknüpft und nun läuft es endlich! Es kommen auch wieder andere Zeiten, von daher genieße es ruhig 😉 LG

  1. Klingt doch super 🙂 Wie du habe ich meine Aktivitäten hier zurückgefahren. Wenn das reale Leben einen fordert, ist man manchmal zu kaputt, um sich in der Bloggerspäre noch zu behaupten. Und reden, austauschen usw. funktioniert ja, wie du es auch erfahren hast, im Realen auch immer noch ziemlich gut 😉 Lieber Gruß!

    • Dir auch einen lieben Gruß! Ja, die Prioritäten verschieben sich im Leben halt auch immer wieder…. Wobei ich den Blog nicht ganz aufgeben wollte und im Moment ist er wieder sehr super! Pass auf dich und deine Lieben auf! LG

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