Delegieren

Delegieren bzw. um Hilfe bitten. Das ist nicht dasselbe? Natürlich nicht und doch gibt es eine Gemeinsamkeit. In beiden Fällen muss ich meine Aufgabe bzw. Arbeit an jemand anderen abgeben. Und beides kann manchmal sehr schwierig werden.

Um Hilfe bitten ist für mich immer extrem schwierig gewesen. Ich wollte nie jemanden zur Last fallen. Natürlich ist das eine Erziehungssache. Meine Großmutter hat sich immer für mich aufgeopfert und ich wollte die Arme nicht durch meine Probleme noch mehr belasten. Also hab ich gelernt, meine Probleme selbst zu lösen bzw. mit dem Problem zu leben. Einerseits sicher eine gute Sache, doch andererseits hat mir niemand beigebracht, dass man wenn man an seine Grenzen kommt, sehr wohl jemand bitten darf, einem zu helfen. Im Gegenteil, mir wurde auch immer gesagt, ich brauche eh niemanden um Hilfe bitten, denn die Menschen sind böse und helfen einem nur, wenn man sie bezahlt.

Meine Freunde haben mir immer angeboten, wenn du was brauchst, dann sag Bescheid. Natürlich habe ich es früher nicht getan. Mittlerweile habe ich allerdings sehr wohl gelernt um Hilfe zu bitten. Ich tue es nicht oft, doch wenn, hab ich nach wie vor ein schlechtes Gewissen. Das Gefühl jemanden zur Last zu fallen, durch meine Bitte. Aber das lern ich auch noch. Im Büro hab ich mit um Hilfe bitten, weniger Problem. Dafür war delegieren lernen recht schwierig. Mir konnte es nie jemand Recht machen. Eh klar, ich bin ja auch ein Perfektionist. Bei meiner Arbeit gibt es kein „wird schon passen…“ Wenn ich das Gefühl habe, es stimmt irgendetwas nicht, begebe ich mich auf die Suche. Würde ich das nicht tun, wäre ich heute nicht dort wo ich bin. Als Budgetverantwortliche kann ich mir keine kreative Buchhaltung erlauben. Da muss der Betrag genau stimmen, nicht nur ungefähr.

Dazu kommt, ich habe schon viele schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich Arbeit delegiert habe. Nicht jeder ist ein Perfektionist! Ich hatte Mitarbeiterinnen die haben Belege doppelt verkauft.  Oder sie haben sich nicht an die buchhalterische Grundregel gehalten – „Keine Buchung, ohne Beleg.“ Und wenn man sie dann 3 Monate später gefragt hat – „Was war denn das?“ – bekam man als Antwort nur ein Schulterzucken. Und ganz ehrlich, da krieg ich beim Delegieren ein Problem. Zumindest früher. Heute habe ich mir ein Kontrollsicherheitsnetz aufgebaut und lass sie mal machen. Und wenn mir ein Fehler auffällt, dann dürfen sie das Ganze gleich noch mal machen. Weil wenn man sie ihre eigenen Fehler nicht ausbügeln lässt, werden sie es nie lernen. Andererseits, wer hat schon die Zeit dazu? Wie gesagt, ich bin ein Perfektionist. Ich kann eh nicht anders, weil ich sonst nicht ruhig schlafen kann. Doch nicht jeder Vorgesetzte hat die Möglichkeit jeden Schritt seiner Mitarbeiter zu überwachen. Nicht überall geht es so einfach, wie bei Zahlenkolonnen. Soll man trotzdem delegieren? Ja! Man muss es sogar. Dann wenn man Aufgaben nicht delegiert, bekommen die Mitarbeiter Geld dafür, dass sie weniger tun, als sie sollten und man selbst bewegt sich gleich ganz schnell Richtung Burn-Out. Mikromanagement ist einfach nicht die Lösung. Außerdem sollte man den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, einen zu überraschen. Vielleicht ist ja doch der eine oder andere dabei, der die Chance nutzt, sein Bestes gibt und einen damit positiv überrascht.

Und wie ist das mit um Hilfe bitten? Belastet man die Person die man um Hilfe bittet wirklich? Meine Großmutter hat mir das ja immer vermittelt. Nur weiß ich mittlerweile, dass für meine Großmutter alles ein Opfer ist. Sie braucht ihr Märtyrertum als Lebenssinn. Sie die Arme, die ihr letztes Hemd für andere gibt, ob man es will, oder auch nicht! Also wenn ich mal versuche alles zu vergessen, was mir als Kind eingeimpft worden ist, dann schaut die Sache gleich ganz anders aus. Wenn ich jemand anderen geholfen habe, fühlte ich mich selten belastet. Im Gegenteil, ich habe mich immer gefreut, wenn ich gesehen habe, dass mein Gegenüber alleine dadurch, dass ich da war und geholfen haben, sofort erleichtert war, nicht mehr alleine da zu stehen. Wenn man jemand helfen kann, fühlt man sich selbst auch gleich viel besser. Und so gesehen, sollte man, wann immer notwendig, keine Scheu haben, auch mal Hilfe von anderen zu erbitten. Man sollte auch anderen die Möglichkeit geben, sich gut zu fühlen.

© Libellchen, 2011

2 Kommentare zu “Delegieren

  1. Liebes Libellchen,

    ich kann das alles nachvollziehen, dennoch konnte ich vom Standpunkt, im Leben gibt es nichts umsonst und alles hat seinen Preis, noch nicht abweichen. Hilfe annehmen fällt mir auch schwer, weil ich nie weiß, mit welchem Hintergedanken geholfen wird. Es meinen halt nicht alle gut mit einem…so bleibt immer ein bisschen Misstrauen übrig.
    Aber ich bin auch gerade daran, das zu ändern, soweit ich das beeinfluss kann.

    Schicke dir liebe Grüße,
    Sunny

    • Liebe Sunny!

      Es ist auch nicht leicht, anerzogenen Denkweisen einfach abzulegen. Ich für mich hab aber gemerkt, ich darf das Leben auch einfach geniessen. Um Hilfe bitten, war auch für mich immer schwierig. Ich wollte anderen nicht zur Last fallen. Aber mittlerweile habe ich gelernt, zumindest im engsten Freundeskreis, einfach mal um Hilfe zu bitten. Und es hat noch nie jemand nein gesagt, und ich hatte auch kein schlechtes Gefühl dabei.

      Ganz liebe Grüße
      Libellchen

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