Gedächtnis

Ich hab ein Gedächtnis wie ein Elefant. Ich merke mir alles. Auch über Jahre. Vor allem Zahlen merk ich mir jahrelang. Ich weiß heute noch die Telefonnummer, von meiner damals besten Freundin, als ich 16 Jahre war. Ich kenn noch immer das Autokennzeichen von meinem ersten Schwarm. Zahlen merke ich mir echt leicht. Aber auch Dinge die mir erzählt werden, sind ganz tief in meinem Gedächtnis verankert. Wenn ich merke dass etwas was mir erzählt wird, für mein Gegenüber wichtig ist, oder wenn es für mich wichtig ist, merk ich mir Dinge überhaupt leicht. Bei Small Talk andererseits kann es schon mal passieren, dass ich auf Durchzug stelle. Das ist allerdings eher selten.

Vor kurzem hat ein Mann etwas zu mir gesagt, was mir ein gutes Gefühl im Bauch verschafft hat. Es war ein total schöner, netter Satz, der mein Herz berührt hat. Und heute weiß ich nicht mal mehr, ob er das wirklich gesagt hat. Ich habe so lange darüber nachgedacht, ob er das wirklich genau so gemeint haben kann, wie ich es verstanden habe, dass ich heute bereits daran zweifle, dass das Gespräch tatsächlich stattgefunden hat. Ich weiß, ich hab mit ihm gesprochen. Ich weiß, ich hab die Worte richtig verstanden. Ich konnte den Satz 2 Tage später noch wieder geben. Doch heute, weiß ich nicht mehr, ob ich mir das nicht alles nur eingebildet habe. Es ist als läge ein Schleier, über den 5 Minuten Unterhaltung.

Mist! Ich merk mir doch sonst alles. Doch es liegt nicht an meinem Gedächtnis. Es liegt an meinen Zweifeln. Er kann es doch gar nicht so gemeint haben. Ich muss mich einfach täuschen. Da ich jedoch keine andere Interpretation gefunden habe – der Satz war einfach zu klar formuliert – begann ich daran zu zweifeln, ob wir wirklich miteinander gesprochen haben. Ich schaffe es echt immer wieder, mir das Leben schwer zu machen. Jetzt pfeif ich drauf. Bringt ja eh nix. Der Abend ist vorbei, das gute Gefühl ist vorbei. Satz hin oder her. Wenn es so gemeint war, wie ich es verstanden habe, habe ich eh wieder mal alles vermasselt.

Das kann ich einfach am besten. Mir selbst das Leben schwer machen. Was solls. Genieß ich mein Leben halt auch in Zukunft alleine. Bin es ja eh gewohnt. Ich will nicht mehr grübeln, was gewesen wäre, wenn ich anders reagiert hätte. Ich will mir nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie schön es wäre, wenn es jemand gäbe, der mit mir Zeit verbringen will. Es ist nicht so, also wieso darüber nachdenken? Er hat mich aus meiner Mitte katapultiert. Zwar auf eine positive Art und Weise, doch ich habe meine Energy in den letzten Tagen viel zu sehr auf etwas konzentriert, was einfach nicht ist. Ich brauch nicht mehr über ihn nachgrübeln. Der Moment ist verpasst.

Kurz nach dem Wochenende hab ich eine Freundin gefragt, was ich jetzt machen soll. Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Da ich davon ausgehe, dass ich den Moment verpasst hatte, wo ich an meiner Situation etwas hätte ändern können, dachte ich es läge an mir, das zu ändern. Sie meinte nur, ich solle meinen Weg weiter gehen. Das war nicht das was ich hören wollte. Mein Weg? Alleine? Soll ich nicht doch irgendetwas tun? Muss ich mich nicht doch bemühen dafür, dass sich mein Leben ändert? Ich war plötzlich wieder damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was ich ändern könnte. Doch bevor er mit mir gesprochen hat, war ich rundum glücklich und zufrieden. Und dorthin muss ich wieder kommen. Und dort, ist nun mal mein Weg. Da hat meine Freundin schon recht. Ich muss mich wieder auf mich konzentrieren. Muss auch weiterhin mein Leben genießen, dann wird auch der nächste Moment kommen, und vielleicht schaffe ich es ja dann, ihn nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

© Libellchen, 2011

4 Kommentare zu “Gedächtnis

  1. Dieser eine Moment ist nicht der, der dir alles vermasselt hat.
    Wäre er der Richtige, dann gäbe es keine Zweifel und es würde unzählige Möglichkeiten geben sich zu treffen, sich liebevolle Dinge zu sagen.
    Wenn du so fixiert darauf bleibst, dass eine einzige Handlung, eine einzige Bemerkung eine Beziehung beenden oder beginnen lässt, dann tust du dir selber einen sehr hohen Streß an.
    Der nächste Moment, ja so habe ich auch lange gedacht, dass ich den nutzen muss und dann kam er, dieser Moment und unbewusst habe ich genau das Gegenteil von dem getan, was ich mir vorgenommen hatte und es war richtig und gut so.
    Ein kleiner Moment kann uns aus unserem sorgfältig hergestellten und behüteten Gelichgewicht bringen. Das finde ich weitaus erschreckender, weil´s mir gerade auch passiert ist.
    LG
    Elke

    • Hallo Elke!

      Dass ich mir selber einen Stress mach, ist ja nix neues 🙂 Und dass ich davon ausgehe, dass ich Schuld bin, wenn etwas nicht so läuft, wie ich mir das wünschen würde, ist auch nix neues. Ich versuche ja mittlerweile, eh schon darauf zu vertrauen, dass schon alles gut werden wird, um meinen Stress zu reduzieren, aber es ist halt nicht immer leicht. Aber wenigstens wird mir nicht fad! Ich beschäftige mich selbst echt gut 😉

      GlG

  2. Ich roll mich gerade ab. Neee mir ist auch nicht fad.

    Genau diesen Gedanken hatte ich heute morgen auch, als ich darüber nachdachte wieso ich eigentlich immernoch so bescheuert auf Aktionen von R. reagiere.
    Wenn schon kein anderer, interessanter Mann da ist, dann wenigstens der 🙂

    • Wenn mans mit Humor nimmt, ist es irgendwie leichter. Das erinnert mich an folgendes Gespräch.

      Er: Bin ich froh dass du da bist!
      Sie: Echt?
      Er: Ja, weil wenn ich nicht froh wär, wärst auch da

      Er und Sie ist natürlich beliebig austauschbar 🙂

      GlG

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