Die kleine Seele saß alleine in ihrer Höhle. Der süße Typ war weg. Sie hatte sehr viele Tränen deswegen vergossen, doch irgendwann waren die Tränen versiegt. Sie hatte einen Weg gesucht wie sie weitermachen konnte. Sie war in den letzten Jahren gewachsen und mutiger geworden. Hatte geliebt und gekämpft um letztendlich doch alles zu verlieren was sie glücklich machte. Ihr war nur Leere geblieben. Ihre leere Höhle, Trauer und Verzweiflung. Als sie am Boden lag, hatte sie nicht gewusst wie sie es schaffen konnte wieder aufzustehen. Doch sie hat es geschafft. Sie hatte sich aufgerappelt und sie war dabei gewachsen.
Doch jetzt war sie wieder allein, so wie all die Jahre, bevor sie den süßen Typen kennen gelernt hatte. Doch nein, etwas war anders. Die Türe zu ihrer Höhle stand offen. Sie verkroch sich nicht mehr. Sie wusste nun, dass man sie lieben konnte. Sie brauchte sich nicht mehr zu verstecken. Zumindest hatte sie das geglaubt. Nur hatte sie sich geirrt. Seit ihre Türe für jedermann offen stand, waren schon einige Menschen vorbeigekommen. Hatte sie belächelt, beschimpft und ausgelacht. Fremde genauso wie sogenannte Freunde, ja sogar ihre Familie. Das machte die kleine Seele sehr traurig. Und so saß sie in ihrer Höhle und dachte darüber nach, ob es nicht besser wäre, die Türe wieder zu verschließen.
Seit ihre Tür offen stand, fühlte sie sich wie auf dem Präsentierteller. Der Watschenmann für alle, die ein Problem mit sich selber hatten und das auf die kleine Seele projizierten. Sie wusste jetzt wieder warum sie sich damals ihre Höhle gebaut und die Tür verschlossen hatte. Sie hatte das alles schon mal erlebt. Als sie noch kleiner war, hatten sie auch immer alle verletzt. Das hatte erst aufgehört, als sie aufgehört hatte sich zu zeigen und sich in ihrer Höhle verkrochen hatte.
Was also sollte sie jetzt tun? Dasselbe wie vor 20 Jahren? Das Verkriechen hatte sie nicht wirklich glücklich gemacht, doch dauernd beleidigt und verletzt zu werden, war jetzt auch nicht das Wahre! Wieso meinten bloß so viele Menschen, dass eine offene Tür eine Aufforderung war, ihr weh zu tun? Sie wollte sich doch bloß nicht mehr von ihrer Umwelt abschotten. Sie hatte tatsächlich geglaubt, dass zwischen sich verstecken und sich verletzten lassen noch eine Vielzahl von Verhaltensweisen vorhanden wären. Doch im Endeffekt waren die Menschen entweder gut zu einem, oder sie versuchten einen fertig zu machen. Einen Mittelweg gab es nur in Einzelfällen.
Wieso gingen die Menschen nicht einfach an der offenen Tür vorbei? Wieso meinte ein jeder sich das Recht herausnehmen zu dürfen über sie zu urteilen? Sie zu verurteilen? Natürlich gab es auch Tage wo es ihr gut ging. Wo sie Besuch von lieben Menschen hatte. Doch genauso oft, stürmten Menschen in ihre Höhle und machten sie fertig. Natürlich könnte sie die Türe wieder hin und wieder schließen, doch würde das nicht unweigerlich dazu führen, dass sie sich wieder verkroch? Wenn sie jetzt anfing, den einfachen Weg zu gehen und Menschen die Türe vor der Nase zumachte, die ihr böses wollten, würde sie dann nicht früher oder später wieder alleine und versteckt in ihrer Höhle sitzen? Sie wusste ja schon, wie es war wenn man sich verkroch. Sie wusste, dass würde sie nicht weiter bringen. Sie maximal um Jahre in ihrer Entwicklung zurück werfen. Sie musste einen neuen Weg finden. Nur, welchen? Sie wusste es nicht, noch nicht. Doch sie hatte ja Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Sie war ja wieder alleine in ihrer Höhle.
© Libellchen, 2011