Der Typ auf dem Stein

Die kleine Seele war ein wenig traurig. Nachdem sie vor ein paar Wochen den süßen Typen geküsst hatte, hat er wieder mal Angst bekommen und war abgetaucht. Und auch wenn die kleine Seele wusste, dass er nur Angst hatte und sie immer noch mochte, so wurde der Verstand doch von Tag zu Tag lauter.

Immer wieder forderte er sie auf, die Chance dass der Typ abgetaucht war zu nutzen um ihn zu vergessen. Doch so einfach war das nicht. Wieso wollte der Verstand dass den nicht verstehen? Noch nie hatte sie ein Mensch so berührt und sie so bedingungslos akzeptiert wie sie war. Ihr Leben lang war sie das kleine Wort „aber“ nicht losgeworden.

Du hast so einen tollen Charakter, so müsste meine Freundin sein, ABER deine Figur ist so gar nichts meins.

Ich liebe dich wirklich sehr, ABER meine Mutter ist der Meinung, dass du keine Frau zum Heiraten bist.

Ich mag dich, ABER über deinen Freundeskreis müssen wir uns noch unterhalten.

Und so weiter. Sie hatte gelernt damit zu leben, auch wenn es nicht schön war. Doch jetzt war da ein Typ, für den gab es kein aber. Sie war perfekt. Punkt.

Doch jetzt war er wieder abgetaucht und die kleine Seele nutzte die Zeit um eine Freundin zu besuchen. Es war ein netter Nachmittag, mit Freunden, Bekannten und auch einer für sie völlig fremden Frau. Es gab Kaffee und Kuchen und die kleine Seele war gelöst wie schon lange nicht mehr.

Ein Bekannter legte der völlig Fremden gerade die Karten, doch das interessierte die kleine Seele nicht weiter. Bis sie plötzlich einen Satz aufschnappte und sich total angesprochen fühlte.

Sie begann der Geschichte der Karten zuzuhören:

Du wirst einen Mann kennen lernen. Er wird dir zeigen wer du bist, was du willst und wie viel Liebe in dir steckt. Du wirst dich ihm öffnen wie noch nie jemanden zuvor. Doch er ist noch nicht der Richtige für dich. Siehst du, am Ende des Weges sitzt er alleine auf einem Stein und lächelt, weil er weiß, dass er dir alles beigebracht hat, was du wissen musst um für den Richtigen bereit zu sein. Jetzt bist du noch verschlossen, doch er wird dein Herz öffnen und wenn dann der Richtige kommt, bist du bereit. Und der Typ wird aus deinem Leben verschwinden.

Komisch, durch irgendetwas in der Geschichte fühlte sich die kleine Seele angesprochen, doch sie wusste nicht durch was.

Und sie wusste auch nicht, dass sie über diese Geschichte eineinhalb Jahre später noch viel intensiver nachdenken würde, als heute.

© Libellchen, 2010

6 Kommentare zu “Der Typ auf dem Stein

  1. Mir erging es sehr ähnlich. Innerhalb relativ kurzer Zeit habe ich hintereinander drei Menschen kennengelernt und jetzt weiß ich, dass die ersten beiden nur die Vorbereitung für den dritten Menschen waren. Hätte ich es eher gewusst, wäre mir vielleicht Kummer erspart geblieben, aber die Erfahrungen musste ich machen, sonst wäre ich gar nicht für die dritte Begegnung bereit gewesen.

    Ich fange an, die Geschichte richtig zu lieben! <3333

  2. Hallöchen,

    hab die Benachrichtigung über deinen Kommentar gleich weiter geleitet 😉

    Wie sich doch manche Lebenswege immer irgendwie gleichen. Witzigerweise war ich bei dieser Kartenlegepartie damals auch dabei – und wir – Libellchen und ich – hatten erst vor Kurzem über diesen Nachmittag/Abend damals gesprochen.

    Ich war nämlich davon ausgegangen, dass es nur mir so ergangen ist – dass ich also die Geschichte auf mich bezogen hatte – obwohl sie theoretisch gar nicht mich betraf.

  3. Jemand sagte mir mal, man trifft immer die Leute, die man gerade braucht.

    Ich weiss nicht, ob nicht meine erste Freundin, mein Typ auf dem Stein war, hab ich doch lange auf sie gewartet. Doch ist sie nicht verschwunden, was vielleicht auch daran liegt, dass ich mich nur sehr, sehr schwer von liebgewonnenen Menschen trennen kann.

    Ansonsten verfolge ich die Geschichte sehr gespannt, gibt sie doch viele Einblicke…

    • Schön dass du hier bist. Ich glaube du hast recht mit deiner Einschätzung 🙂 Es ist nur sehr schwer, zu erkennen ob jemand wirklich der Mensch fürs Leben oder einfach nur der Mensch ist, der einen den Weg zeigt.

      Ich denke wichtig sind beide. Auch ich verstehe heute vergangene Beziehungen besser, wo ich der „Typ auf dem Stein“ war, ohne es damals jedoch zu wissen.

      In diesem Sinne noch viel Spaß beim Lesen und schön dass du hier bist!

  4. Hallo DTim

    Das mit dem „nicht verschwinden“ kommt mir persönlich jetzt auch sehr bekannt vor – bezüglich „meines Typen auf dem Stein“ – irgendwie hab ich das Gefühl, dass wir – also „mein“ Typ und ich – auch nach dem Ende dessen – was ev. eine Beziehung hätte werden können – jetzt einfach nur mehr gute Freunde bleiben können und werden.

    Ich für mich habs jetzt so umdefiniert, dass der Typ als „potentieller Lover“ verschwindet – was aber nicht heißt, dass er als Freund.in weiterhin da ist. Danke für diesen meinen persönlichen Denkanstoss.

    Wünsche dir alles Liebe und freu mich, dass du jetzt auch hier her gefunden hast.

  5. Ich glaube auch, dass man auch selbst gar nicht, oder nur schwer merkt, wenn man der Typ aus Stein für jemand anderen ist.

    Persönlich finde ich es anstrebenswert, liebgewonnene Menschen am Ende einer Beziehung nicht einfach gehen zu lassen, alle Brücken abzubrechen.

    Andererseits ist aber das Fehlen, der Fähigkeit, Brücken einstürzen zu lassen, ein ziemlicher Fluch, wie ich gerade in den letzten Tagen feststellen durfte.

    Freu mich auch hier zu sein,
    ein völlig hin und her gerissener…..

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