Eigentlich hielt ich mich lange Zeit als kleines Höhlenwesen. In meiner persönlichen Wohn-Höhle fühlte ich mich immer wohl, der Gang vor die Tür war lange Zeit ungewiss. Vielleicht ist das so bei Mobbingopfer. Dass sie soziale Nähe nicht unbedingt suchen, da sie zu oft schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dazu hatte ich auch schlechte Erfahrungen in der Familie. Es gab nicht wirklich einen Wohlfühlort. Zu Hause war ich unter ständiger Beobachtung meiner Grosis und konnte jederzeit Kritik ernten. Wenn ich allerdings las oder Hausaufgaben machte, liesen sie mich in Ruhe. Also las ich entweder oder machte Hausaufgaben. Mein Maß an negativen Meldungen war definitiv übervoll.
Soziale Kontakte mied ich so lange, so lange ich noch keinen Alkohol kannte. Erst damit konnte ich meine ersten sozialen Kontakte knüpfen. Aber man kann ja auch nicht dauernd trinken…. Mit ca. 25 Jahre kippte mein Leben. Ich ging weniger fort, trank weniger und so wurden auch die sozialen Kontakte immer weniger. Dazu kommt, dass ich viele Menschen einfach nicht mag oder auf Dauer ertrage. Ein paar Kontakte blieben von der Partyzeit zwar übrig, wurden mit der Zeit aber auch immer weniger.
Nach dem süßen Typen hatte ich meine echte Höhlenzeit. Wenn ich nicht in der Arbeit war, blieb ich zu Hause. Ich ging nur sehr selten raus – wenn sich eine Freundin mal nicht mehr vertrösten lies – und verschanzte mich regelrecht zu Hause. Meine alte Wohnung war meine Höhle. Ich war nicht unglücklich damit – alleine zu Hause konnte mich niemand verletzen – aber ein wenig einsam ist das auf Dauer schon! Damals spielte ich viel am Computer und schaute Serien. Tagein, tagaus.
Nach meinem Umzug in die neue Wohnung ging ich auch nicht wirklich viel raus. Im neuen Ort kannte ich niemand und alleine fortgehen reizte mich nicht. Und so blieb ich auch in der neuen Wohnung anfangs nur zu Hause. Doch im Laufe der Zeit veränderte sich etwas. Ein schleichender Prozess, der mir gar nicht wirklich auffiel.
Doch in letzter Zeit fiel mir immer wieder auf wie ausgebucht ich derzeit bin. Nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche. Ein dienstliches Event, zweimal die Woche trainieren, Mädelstag mit Mama, Mädelstag mit Aretha, Treffen mit ehemaligen Kollegen, dazwischen ein Anruf von ehemaligen Kollegen und im Büro werde ich mittlerweile auch so akzeptiert wie ich bin. Die Mädels versuchen nicht mehr mich zu verändern, sondern haben sich offenbar an mich gewöhnt und reden mittlerweile mit mir über alles mögliche. Das wurde übrigens erst möglich als ich mich von dem Kollegen bei mir im Büro deutlich distanziert habe. Offenbar haben sie ihren Zorn auf ihn, auf mich übertragen. Das ist zwar meiner Meinung nach extrem unfair, aber auch irgendwie verständlich.
Seit sie gemerkt haben dass ich sein Verhalten nicht gut heiße, reden sie ganz normal mit mir – wie ich es auch von anderen Büros eigentlich kannte.
Wie gesagt der Prozess war schleichend. Als ich vor vier Jahren hier eingezogen bin, war ich eigentlich ständig zu Hause. Mittlerweile komme ich eher erst immer Abends heim und bin auch am Wochenende eigentlich ständig unterwegs. Und es fühlt sich auch gut an. Die sozialen Kontakte die ich habe, mag ich. Die verletzen mich nicht und ich muss nicht auf meine Worte achten. Sie erschlagen mich aber auch nicht mit dem Wunsch etwas mit mir zu unternehmen. Mein Leben fühlt sich im Moment extrem ausgeglichen an. Ich muss sagen, das gefällt mir!
© Libellchen, 2018