Gute Menschen

Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist das Wort „Gutmensch“ bei uns ein Schimpfwort. Was ich total wiedersinnig finde. Wie kann es ein Schimpfwort sein ein guter Mensch zu sein?

Ich war damals nicht an vorderster Front – oder an irgendeiner Front. Ich engagierte mich nicht, verfolgte aber was da passierte. Und im Herzen war ich auf der Seite der Helfer. Im Herzen war ich also ein Gutmensch, auch wenn ich nichts dafür tat. Und dann war es plötzlich etwas schlechtes Menschen zu helfen. Ja, es lief damals vieles schief. Leute wurden nicht registriert, der Menschenstrom war unkontrolliert und so sollte es wirklich nicht sein. Ich kann trotzdem nichts verwerfliches daran finden, dass man frierenden und hungernden Menschen hilft.

Ich glaube Menschen die das Wort Gutmensch als Schimpfwort verwenden gehen davon aus, dass die Gutmenschen dieser Welt keine Ahnung von der Welt haben. Dass sie naiv sind und nicht wissen, dass es auch Menschen gibt die sie ausnutzen. Dass sie die Augen vor der Realtität verbergen. Möglicherweise haben sie sogar bei ein paar davon recht.

Mittlerweile engagiere ich mich ehrenamtlich und unsere Kunden sagen immer wieder zu uns „Vielen Dank dass es so gute Menschen wie sie gibt!“ „Sie machen dass alles ehrenamtlich? Wollen sie in den Himmel kommen? Ich denke das wird kein Problem!“ Diejenigen die das erste Mal bei uns sind weinen auch häufig ob der Hilfe die sie bekommen. Letztes Mal war eine ganz überwältigt und meinte nur „Ich danke euch, für mich ist heute Weihnachten! So viel hatte ich schon lange nicht mehr zum Essen“. Ja, ich denke ich bin nicht mehr nur im Herzen ein Gutmensch!

Und ich stehe dazu. Ich finde nämlich absolut nichts verwerfliches daran. Wir haben viele junge Leute mit kleinen Kindern, Alleinerzieherinnen, Pensionistinnen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Was soll daran schlecht sein, ihnen zu helfen?

Jetzt sagt vielleicht einer, ja aber das ja alles Inländer. Nein, sind sie nicht. Auch wenn es überwiegend Inländer sind, ein paar mit Migrationshintergrund haben wir schon auch. Und auch das ist mir egal. Sind ja alles Menschen, egal wo sie geboren wurden!

Ich bin nicht naiv. Ich bin im Gegenteil mehr informiert als die meisten Menschen in meiner Umgebung. Ich lese viel Zeitung, viele Bücher, höre Nachrichten und arbeite in einem Job wo man auch sehr viel mitbekommt. Ich weiß, wie schlecht die Menschheit sein kann. Ich weiß, dass Menschen nicht friedlich sind und oftmals Kampf als einzigen Ausweg sehen. Ich bin auch keine Licht und Liebe Tussi die glaubt die Welt verändert sich wenn man nur fest daran glaubt. Ich bin auch nicht Jesus und halte auch die andere Wange hin.

Ich bin ein Mensch der vieles gesehen hat. Der viel negatives erlebt hat. Der viele Grausamkeiten in den Nachrichten gesehen hat. Der Grabenkämpfe im Job tagtäglich miterlebt hat. Der Verrat am eigenen Leib erfahren hat. Der hintergangen, belogen und betrogen worden ist.

Ich bin aber auch ein Mensch der davon überzeugt ist, dass man die Welt nur dann verändern kann, wenn man etwas dafür tut. Ich glaube an den Schmetterlingeffekt. Ich glaube das jede gute Tat, sich genauso verbreitet wie jede schlechte. Leider gibt es viel zu viel schlechte Taten. Es gibt viel zu viele Grausamkeiten auf dieser Welt. Natürlich könnte ich mich zu Hause einsperren und hoffen dass das Böse dieser Welt an mir vorüber zieht. Mich nicht trifft, wenn ich mich ducke. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Ich gehe raus und tue Gutes. Zumindest ein wenig. Denn jede gute Tat von mir, ist eine gute Tat mehr als wenn ich sie nicht mache.

Und das tollste daran ein Gutmensch zu sein ist die Dankbarkeit die einem dafür entgegengebracht wird. Du kannst das nicht glauben? Da hilft nur eins, geh raus und probier es aus! Mach ein gute Tat und schau was es mit dir macht.

Und jetzt nur mal so eine Theorie zum Nachdenken. Stell dir vor es gäbe auf dieser Welt mehr Gutmenschen und die guten Taten würden überhand nehmen gegenüber der schlechten Taten. Stell dir vor die Gutmenschen wären die Mehrheit und nicht eine kleine Minderheit. Stell dir vor das Verhältnis würde kippen auf die Seite der guten Menschen, was wäre dann? Dann würde es wohl weniger Kriege geben. Dann würden kleine Kinder nicht bereits traumatisiert und würden geborgen und in Frieden aufwachsen. Dann gäbe es keinen Grund für Rache und die Spirale der Gewalt. Dann würde Gewalt nicht schon im Kleinkindalter gesät werden und es wäre weit schwieriger die Menschen zu radikalisieren. Zufriedene Menschen greifen nicht zur Waffe. Glückliche Menschen schlagen ihren Nachbarn nicht den Schädel ein.

Meine gute Taten werden die Welt nicht ändern. Aber sie verändert das Leben unsere Klienten. Darunter auch viele Kinder. Diese Kinder bekommen bei uns was zu essen und ein Lächeln. Diese Kinder wachsen mit dem Wissen auf, dass es Menschen gibt die helfen. Das kann nicht schlecht sein für diese Welt.

© Libellchen, 2019

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