Schön langsam kristallisiert sich die Persönlichkeit und die Intention der einzelnen Mitstreiter heraus.
Bei der Wahl im Jänner, gibt es von unserer Gruppe einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Mir war eigentlich von Anfang an klar was er damit bezweckt. Wenn jeder von uns um Stimmen laufen muss, werden mehr Stimmen zusammenkommen als wenn wir es nicht tun. Eh klar. In unserer Siedlung gibt es übrigens insgesamt 11 Personen die kandidieren. Sechs davon aktiv, fünf unterstützend. Zumindest ist dies der offizielle Stand der Dinge. Um Streitigkeiten zu vermeiden, werden Teams gebildet. Auch das halte ich für eine gute Idee.
Ich für meinen Teil gehören zu den aktiven, aber nicht verbissenen! Ich habe keine Ahnung ob ein Sitz im Gemeinderat wirklich so toll ist. Da ich ja alles mit Engagement mache, wäre das wieder um einiges mehr Arbeit. Vor allem wenn ich mich der Finanzen annehme, die ja Dank der jetzigen und der vorherigen Gemeinderäte katastrophal ausschauen!
Ich gehe es also eher entspannt an. Wenn es sein soll, wird es sich ausgehen. Wenn nicht, dann halt nicht. Dann habe ich den Fuß trotzdem in der Tür. Kenne die Leute und habe mich persönlich wieder ein Stück weiterentwickelt.
Dann gibt es diejenigen die es fürs Ego tun. In der Nachbarsiedlung ist ein junger Mann – er ist so alt wie ich – Unternehmer und er will es unbedingt. Das sehe ich hin und wieder in seinem Gesicht. Ihm wäre es am liebsten, wenn er gesetzt wäre und nicht laufen müsste. Er kommt aber auch aus der Partei und kann mit den Neuerungen nicht allzu viel anfangen. Obwohl er zu mir nicht unangenehm ist, aber hin und wieder spüre ich mehr als ich sehe…..
Dann gibt es einen ganz lieben Nachbarn, der mit sehr viel Engagement aber auch Verbissenheit dabei ist. Seine Intention ist aber Angst. Sein Arbeitgeber wird mit Jahreswechsel verkauft und er wird Mitte des Jahres den Job verlieren. Das haben sie ihnen schon gesagt. Und er verdient derzeit ohne Matura extrem viel und hat Angst nicht mehr so viel Verdienst herausschlagen zu können. Da wäre ein zweites Standbein Politik gut. Wie gesagt er ist sehr nett und ich mag ihn sehr gerne, doch ich befürchte, dass sich seine Verbissenheit und sein Drang mit den Maturierten, Studierten mitzuhalten, negativ auswirken wird. Er bemüht sich jemand zu sein, der er nicht ist. Und im persönlichen Gespräch kommt er immer wie ein Besserwisser rüber, auch wenn er es so nicht meint. Das wissen Fremde aber nicht…..
Und so geht es unendlich weiter. Ich bin zurzeit sehr viel am Beobachten der unterschiedlichen Persönlichkeiten. Manche nehmen es mit Humor und Charme, manche wollen nur im Hintergrund unterstützen und knien sich voll rein. Und einige haben ein konkretes Ziel. Ich mache was ich kann und sehe dann eh was am Ende rauskommt. Ich bin also eher gelassen. Was der Frau unseres Chefs gefallen dürfte. Sie hat mich irgendwie unter ihre Fittiche genommen. Immer wenn sie wo hinfährt und „sich sehen lässt“, nimmt sie mich mit. Natürlich werden auch Fotos gemacht, damit man auch belegen kann das man da war. Von ihr lerne ich gerade einiges!
Und bei unserem letzten Ausflug wurde ich bereits misstrauisch vom politischen Mitbewerber beäugt. Die letzten fünf Jahre schweifte ihr Blick immer bei mir vorbei – ich war nicht wichtig genug um von ihnen wahrgenommen zu werden – doch offenbar haben sie mich mittlerweile auf dem Radar. Und das schon bevor sie noch wussten was meine Kernkompetenz ist! Mittlerweile ist die Aussendung mit meinem Bild verteilt und das Vorstellungsvideo online. Jetzt werden sie mich erst wirklich wahrgenommen haben!
Also zurzeit macht das Ganze gerade ur viel Spaß. Ich lerne viel, kann Menschen beobachten und bin mittendrin. Ich bekomme die Hintergründe genauso mit, wie das Ergebnis. Und was da oft rauskommt, obwohl zuvor alles total unvorbereitet und chaotisch ist, ist ein Wahnsinn! Früher habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht, wenn ich zum Beispiel öffentlich reden musste. Da habe ich überlegt, wie formulieren, was sagen, etc. Dafür fehlt mittlerweile die Zeit. Die Basics müssen reichen und dann einfach selbstbewusst verkaufen. Ist ganz etwas Neues für mich, macht mein Leben aber irgendwie leichter. Ich bin nicht mehr so verkopft und am Grübeln.
© Libellchen, 2019