Manchmal werde ich doch noch überrascht. Vor Jahren war ich mal Mitglied einer Arbeitsgruppe. Der damalige Leiter fiel mir insofern auf, da er mir – als kleines Lichtlein – sofort das Du-Wort angeboten hat. Das war in meiner alten Dienststelle so nicht üblich. Als zweites fiel er mir auf, weil er nicht nur wichtig, sondern auch intelligent und engagiert war.
Er wollte was weiterbringen und hat sich voll reingekniet. Und er war einer der ersten die damals die Flucht von meiner alten Dienststelle ergriffen hatten. Damals dachte ich noch gar nicht über einen Weggang nach. Und sein Abgang wurde auch von einigen schlecht aufgenommen. Es war damals noch nicht so üblich, dass man freiwillig geht. Damals wurde man maximal „entsorgt“ wenn man nicht passte oder sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Da dort ja angeblich die Besten der Besten arbeiteten, hatte man ja eigentlich keinen Grund zu gehen, außer man gehörte nicht zu den Besten…..
Natürlich war das Bullshit und er offenbar einer der ersten die das erkannt hatten… Er war also weg und ehrlich gesagt dachte ich nicht weiter über ihn nach.
Vor kurzem lief er mir in meiner neuen Dienststelle über den Gang und verwunderte mich indem er noch immer meinen Vornamen wusste. Wir vereinbarten einen Kaffee zu trinken, woraus aber nichts wurde.
Diese Woche trafen wir uns wieder am Gang – er arbeitet ein Stück den Gang runter – und plötzlich begrüßte er mich mit Küsschen rechts und links. Das überraschte mich dann doch ein wenig. Er bekräftigte den Vorsatz einen Kaffee zu trinken. Mal schauen.
Was mir nur an meinem neuen Dienstort schon öfter aufgefallen ist, hier sind alle viel lockerer. Wo ich herkomme – beide Dienststellen – waren die Leute viel steifer. Hier wird geküsst, geknuddelt und geschäkert. Und dabei bin ich jetzt näher am Minister dran. Steifheit und Verstocktheit würde ich eher hier vermuten… Aber vielleicht ist das auch, dass man hier entweder dazu gehört oder auch nicht.
So viel wie ich hier geknutscht und geknuddelt werde bin ich aber offenbar aufgenommen worden im geheimen Club der Insider…..
© Libellchen, 2019