Bei der Überlegung auf Öffis umzusteigen, hatte ich immer die Befürchtung, dass mich das stressen würde. Ich sah mich Bussen und U-Bahnen nachlaufen, bzw. in der Kälte warten. Ja das ist ein Teil des Öffi-Lebens, aber nicht nur.
Früher war ich total flexibel. Sobald ich fertig war, ging ich zum Auto und fuhr los. Jetzt muss ich schauen wann der nächste Bus fährt. In der Früh hat sich dadurch einiges geändert. Ich mache meine Morgenhygiene und währenddessen wird der erste Kaffee zubereitet. Ich habe in der Früh nämlich einen Puffer. Wenn man mal länger braucht will man ja nicht gleich den Bus verpassen. Also habe ich 40 Minuten Zeit. Früher ging ich nach 30 Minuten aus dem Haus. Den ersten Kaffee gab es erst im Büro.
Jetzt trinke ich ihn zu Hause. Und dann kommt der Morgenspaziergang. Sieben Minuten Bewegung an der frischen Luft, auf dem Weg zum Bus. Das entschleunigt auch, ich kann und brauche nicht schneller gehen. Im Bus selbst bin ich dann zum Nichtstun „verbannt“. Ich kann nämlich nichts tun ohne dass mir schlecht wird. Außer natürlich Musik hören, nachdenken, Tagträumen. Früher musste ich mich auf dem Arbeitsweg konzentrieren. Autofahren in Wien ist ja nicht ohne. Fast jeden Tag gab es einen kritischen Moment. Da kann man nicht wirklich über anderes nachdenken. Dafür habe ich jetzt Zeit.
In Wien geht’s dann runter zur U-Bahn. Da braucht man sich auch nicht beeilen, da ja sowieso alle paar Minuten eine fährt. Von der U-Bahn gehe ich dann noch ein paar Schritte ins Büro. Im Büro komme ich normalerweise entspannt an und die erste Bewegung habe ich auch schon gemacht.
Am Heimweg habe ich im ersten Monat oft noch das schöne Wetter genossen und bin eine U-Bahn- Station gegangen. Dadurch hatte ich nach der Arbeit auch noch Auslauf und ersparte mir einmal umsteigen. Bei dem Wetter jetzt, fahre ich aber lieber.
Am Hauptbahnhof kann ich dann auch noch Dinge einkaufen, wenn ich was brauche bzw. auf den nächsten Bus warten muss. Auch hier gilt „Ich habe Zeit“. Gut, zweimal bin ich auch schon zum Bus gelaufen. Aber nur, weil der frühere noch da war. Da hatte ich eigentlich eine Viertelstunde später fahren wollen und war so schnell gewesen, dass ich den früheren erwischt habe. Wäre also nicht notwendig gewesen.
Was ich auch toll finde ist die Monatskarte. Früher habe ich dreimal überlegt bevor ich in die Innenstadt gefahren bin. Ich brauchte ja für jede Strecke einen Einzelfahrschein. Das fällt jetzt weg. Und ich muss nicht immer retour mein Auto holen. Egal wo ich mich jetzt von jemand in Wien trenne, mein Ziel ist die U1 bzw. der Hauptbahnhof.
Und das alles zusammen entschleunigt mich ungemein. Ich fühle mich flexibler – obwohl es eigentlich nicht so ist – und habe viel mehr Zeit zum Nichtstun. Ich kann nicht mehr so effizient sein wie früher – am Heimweg gleich auch noch ein paar Zwischenstopps erledigen. Ich muss immer erstmal heim und das Auto holen. Im Ort selbst kommt man mit den Öffis ja nicht so weit. Wenn ich bsplw. auf die Post muss, bin ich mit dem Auto in 10 Minuten hin und retour. Mit den Öffis brauche ich eine Stunde. Sobald ich den Ort Richtung Wien verlasse, lass ich das Auto aber gerne stehen. Bus fahren und Musik hören ist nämlich total angenehm!
© Libellchen, 2019