Abstand

Gestern war mir nicht nach viel. Ich wollte keine Nachrichten lesen. Keine Diskussionen auf Facebook von Menschen lesen, die nur streiten wollen und kein Interesse an anderen Standpunkten haben. Ich wollte einfach nichts von der Welt und den Menschen wissen.

Gott sei Dank war das Wetter schlecht. Da kann man sich eingraben ohne dass sich jemand etwas denkt. Man braucht keine Fragen beantworten, die man nicht beantworten könnte. Ich wusste nicht konkret wo es herkam. Natürlich war das Begräbnis „mit Schuld“. Die Stimmung, die Vergänglichkeit des Seins, grundsätzliche Überlegungen zur Familie, zu meiner im Besonderen.

Das brauchte Zeit um es wieder loszuwerden. Gestern fühlte ich mich einfach nur müde und gönnte mir einen Tag Auszeit. Am Vormittag kümmerte ich mich ein wenig um meinen Haushalt. Dabei war mein Gehirn immer noch beim Thema.

Zu Mittag hatte ich das gröbste geschafft und überlegte was ich machen wollte. Und ich wollte gar nichts machen. Ich war ausgelaugt und wollte keine Entscheidung treffen müssen. Total untypisch für mich.

Ich ging in mein Arbeitszimmer, schnappte mir das oberste Buch und begann zu lesen. 500 Seiten schaffte ich an diesem Nachmittag. Von der ersten bis zur letzten Seite. Ich tat nicht viel anderes und gab mich ganz der Geschichte hin. Danach ging ich schlafen und fast neun Stunden erwachte ich und war wieder fast die Alte.

Ich fühlte mich wieder wohler in meiner Haut. Ich hatte den Abstand von meinem eigenen Leben gebraucht. Dafür sind Bücher immer wieder gut. Da muss man sich auf das Leben der Romanfiguren konzentrieren und bekommt so Abstand zu den eigenen Gedanken.

Im Gegensatz zu früher werde ich mir nicht gleich das nächste Buch zur Hand nehmen. Heute nehme ich mein soziales Leben wieder auf. Am Vormittag darf noch herumgegammelt werden, doch am Nachmittag geht es wieder in Dienst. Das ist der große Unterschied zu früher. Früher hätte ich noch ein wenig länger mit meinen eigenen Gedanken verbracht. Doch ein Tag genügt.

Es ist, wie es ist. Menschen sind, wie sie sind. Ich kann niemand änderen, ich kann nur mein Verhalten an die Situation anpassen. Und den Rest einfach hier aufarbeiten.

© Libellchen, 2019

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