Nach meiner kleinen Explosion vorige Woche war mein Kollege wie ausgewechselt. Aufmerksam und voller Anteilnahme was rund um ihn passiert. Und wer genau sollte ihm das jetzt so plötzlich abkaufen? Also ich nicht. Ich verschwand wieder hinter meiner Schweigemauer und beschränkte mich auf rein dienstliche Gespräche.
Das blöde am Schweigen ist, mir fällt sein Rumgestöhne enorm auf… Wenn es im Büro ganz ruhig ist und man sich das Zimmer jemand teilen muss, den man gerade nicht riechen kann, dann fällt einem jede noch so kleine Macke enorm auf. Alle 10 Minuten – das ist nicht übertrieben, sondern mitgeschrieben – stößt er einen Stoßseufzer aus. Der klingt als würde die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern ruhen. Als wir noch gesprochen haben, hat er mir dann oftmals erzählt wen er für doof hält, wen für einen Idioten, wer etwas falsch gemacht hat und dass er sowieso der Schönste und der Beste ist. Seit wir nicht mehr reden, stöhnt er nur mehr….Und das nervt.
Also habe ich ihn am Mittwoch nett aber doch darauf hingewiesen. Das nahm er zum Anlass nochmal das Gespräch zu suchen, indem er mir ein Weihnachtsgeschenk überreichte und sich nochmal entschuldigen wollte. Ich wollte das Geschenk zuerst nicht annehmen. Tat es dann aber doch, mehr als einen Neustart ohne Garantie konnte ich aber nicht versprechen. Ich wies ihn daraufhin, dass auch der Neustart nichts bringen wird, wenn er in ein paar Wochen, wenn alles sich ein wenig beruhigt hat, wieder anfängt von oben herab mit mir zu reden. Ich habe jetzt nicht nur einen Freibrief, sondern sogar die Aufforderung ihn sofort darauf hinzuweisen….
Wir haben dann nochmal ganz ruhig gesprochen und ich habe ihm nochmal alles gesagt was zu meinem Schweigen geführt hat. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich seinen spontanen Persönlichkeitswechsel nicht glauben kann und dass es ihm meiner Meinung nach an Authenzität mangelt.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht was ich von seinem Verhalten wirklich halten soll. Okay, er bemüht sich jetzt, aber warum? Wegen Frieden in unserem Büro? Wahrscheinlich. Sollte ich mich nicht darüber freuen? Wahrscheinlich. Tue ich es? Nicht wirklich. Ich bin bei einer Frau – meiner Großmutter – aufgewachsen die gelogen hat, sobald sie den Mund aufgemacht hat. Auch ihn, habe ich in den letzten zwei Wochen, bei drei Lügen erwischt. Und ich mag das einfach nicht! Ich fühle mich nicht wohl bei einem Menschen der pausenlos herumlügt.
Aber ich muss mich ja nicht wohl fühlen. Ich muss ihm nicht vertrauen. Ich muss ihm nix erzählen. Ich habe keine Ahnung wie das nächstes Jahr laufen wird, aber jetzt sehe ich ihn erstmal zwei Wochen nicht – worüber ich mich sehr freue. Schau ma mal, vielleicht tut mir der Abstand so gut, dass ich ihm nächstes Jahr wieder unbefangen gegenüber treten kann. Diese Woche habe ich mir damit schon schwer getan. Wie es mit allen Menschen ist, die mich an meine Großmutter erinnern…..
© Libellchen, 2018
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