So schwer ich mir bei Mama tat, so leicht war Opi! Er war gereist, hatte viel gesehen und erlebt. War Leichtathlet, fuhr bei Rallys mit, war Bergsteiger, auf den höchsten Bergen der Welt unterwegs, kam in Gegenden die damals kaum ein Europäer zu sehen bekam, schoß tolle Fotografien, drehte Filme und war der unzufriedenste Mensch den ich jemals kennen gelernt hatte!
Seine ganzen Erlebnisse waren nichts wert, weil er sie nicht vermarkten konnte. Weil er es nicht schaffte damit reich zu werden. Weil er nicht die Anerkennung bekam die ihm vermeintlich zustand. Als ich ein Kind war saß er stundenlang über seinen Buchentwürfen und überarbeitete sie zum hundersten Mal. Oder er wählte Bilder aus für den Bildband der niemals veröffentlich wurde. Er hatte eine Frau die alles für ihn tat und eine Enkelin die zu ihm hochsah. Doch das reichte nicht. Die ganze Welt sollte seine Leistung anerkennen. Doch die Welt interessierte sich nicht für ihn und er interessierte sich nicht dafür dass er zu Hause zwei Frauen hatte, die zu ihm hoch schauten.
Und er suchte die ganze Zeit die Schuldigen. Es gab einige von ihnen…. Nur bei ihm selbst suchte er sie nie….
Sogar als Kind war es für mich unverständlich dass er nicht glücklicher war. Es gab so viele schöne Momente die wir zusammen erlebten, doch für ihn waren sie einfach unbedeutend. Ich freute mich über das erreichen eines Berggipfels, doch von ihm kam nur „Ich stand schon auf weit höheren, der hier ist nicht der Rede wert.“ So kann man ein Kind auch zum verstummen bringen. Zeit mit mir war nicht relevant. Das Buch herauszugeben wäre ein Erfolg gewesen! Auch er stand bei mir auf einem Podest. Er schenkte mir nämlich ein paar schöne Momente. Wenn ich mit ihm durch die Wälder streifte fühlte ich mich gut. Auch wenn er neben mir unzufrieden war. Er wäre gerne höher hinaus gewandert, doch damals ging das körperlich nicht mehr. Doch mit weniger konnte er einfach nicht zufrieden sein….
Was fand ich konkret für verbesserungswürdig? Dankbarkeit! Er hatte so viel gesehen und erlebt. Doch er war dafür nicht dankbar. Er war nur unzufrieden! Das was man hat zu schätzen! Auch das konnte er nicht. Er lebte nur in der Vergangenheit und der Zukunft – wann er dann das Buch veröffentlich hat – das Jetzt interessierte ihn nicht. Annehmen was einem das Leben bietet. Wahrnehmen was man hat. Was ich auch nie verstanden habe, wie jemand anderer schuld daran sein kann, wenn er sein Buch nicht veröffentlicht. Man ist selbst für sein Glück verantwortlich.
Vieles davon lebe ich schon seit Jahren – er war ein sehr prägendes negatives Beispiel – anderes muss ich mir immer wieder in das Gedächtnis rufen. Schön langsam verstehe ich das mit dem hineingeboren werden in eine bestimmte Familie… Ohne sein konkretes nie zufrieden sein mit allem was man hat, hätte ich nie gelernt auch für Kleinigkeiten dankbar zu sein! Auch das mit dem Schuld bei anderen suchen, habe ich in seinem Fall immer total irrsinnig gefunden. Er hätte doch einfach nur sein verdammtes Buch veröffentlichen müssen! Damals schon lernte ich, dass man nur selbst für sein Glück verantwortlich ist. Und noch konkreter, wenn man nur zu Hause sitzt und seine Buch hundertmal überarbeitet, wird man es nie verlegen…. Man muss schon auch was tun dafür….
Schade eigentlich. Du hast es nie geschafft glücklich und zufrieden zu werden. Aber vielleicht ist es dort wo du jetzt bist, ja anders. Ich würde es dir wünschen. Ruhe in Frieden Opi!
© Libellchen, 2017