Happy Birthday!

Heute hat meine Großmutter ihren 91. Geburtstag. Grund genug für meine Mutter und mich, sie gestern zu besuchen. Nach dem Tod meines Großvaters ist sie ja freiwillig ins Altersheim gezogen – natürlich in eines, das sowohl von meiner Mutter, als auch von mir extrem weit weg ist. Eh klar. Sie wollte schließlich bei ihren Freunden sein. Das sie gar keine hat, war ihr damals wohl nicht so klar… Ob sie es mittlerweile wohl schon gemerkt hat?

Mittlerweile raffe ich mich nur mehr zwei Mal im Jahr auf und fahre sie besuchen. Früher war das anders. Früher setzte ich mich ihrer negativen Energie jeden Monat aus. Doch auch wenn ich oftmals ein wenig selbstmordgefährdet von ihr weg fuhr, so konnte ich doch nicht einfach wegbleiben. Mein Pflichtgefühl zwang mich dazu sie immer und immer wieder zu besuchen. Gott sei Dank habe ich das mittlerweile in den Griff bekommen!

Wenn ich dann doch mal wieder zu ihr fahre – Weihnachten und Geburtstag – überlege ich jedes Mal was da wirklich schief gelaufen ist. Wieso habe ich so überhaupt kein schlechtes Gewissen, dass ich sie im Altersheim vergammeln lasse? Flüchtlingen gegenüber kann ich da weit mehr Mitgefühl aufbringen als gegenüber der Frau die mich großgezogen hat….

Mit 89 Jahren hatte sie einen Schlaganfall. Damals fuhr ich zu ihr ins Spital. Sie war halbseitig gelähmt und konnte nicht reden. Ich dachte damals, das wars jetzt. Doch sie wurde wieder. Genauso gehässig wie vorher. Genauso beleidigend wie vorher. Genauso negativ wie vorher. Da fragte ich mich schon was diese Frau eigentlich am Leben hielt. Lebenslust ist es definitiv nicht. Die Freude an unseren Besuchen kann es auch nicht sein, schließlich zeigte sie nicht wirklich Freude…. Die sozialen Kontakte waren es offenbar auch nicht – schließlich zog sie vor allen, über alle her…. 2 ihrer 3 Kinder waren gestorben, genauso wie ihr Mann. Ihn hatte sie glaube ich wirklich geliebt. Irgendwann mal.

Zeit ihres Lebens hat sie sich über ihr Leben beschwert und mir erzählt,wer ihr nicht aller, was angetan hat. Die ganze Welt hatte sich nur dazu verschworen, ihr das Leben schwer zu machen. Ich hatte diese Frau glaube ich nie lachen gesehen. Sie verstand keinen Humor. Hatte mich niemals in den Arm genommen. Mir nie Nähe oder Liebe entgegen gebracht. Sie gab mir Essen, Kleidung und ein Dach über den Kopf.

Emotional brachte sie mir allerdings nicht viel bei. Außer wie schlecht die Welt nicht ist. Dass man niemand vertrauen darf. Das man sein Umfeld belügen muss um in Frieden leben zu können. Dass es in Ordnung ist, jedem schön zu tun und sich dann hinterrücks über denjenigen auszulassen.

Sie brachte mir Verschlagenheit bei und dass man sich so geben soll, wie die Leute einen haben wollen. Sie zog mich groß mit dem Wissen, dass man als Frau es zu nichts bringen kann, wenn man sich nicht hochschläft. Sie brachte mir bei, dass ich nichts wert sei. Dass ich versagt hatte, da ich keine Familie gegründet hatte. Jedem meiner Freunde lachte sie ins Gesicht. Erst nach der Trennung zeigte sie ihr wahres Gesicht.

Sie brachte mich dazu sie zeitweise zu hassen. Ihre hasserfüllte Fratze wenn sie sich mal wieder über jemand ausließ, stieß mich regelmäßig ab.

Doch das ist lange vorbei. Ich habe meinen Frieden mit ihr gemacht. Sie wird Gründe haben, warum sie so geworden ist, wie sie ist. Geboren in der Zwischenkriegszeit wird sie schon genug erlebt haben, in ihrem Leben. Doch da sie nie darüber redet, kann ich ihr diesbezüglich auch keine Anteilnahme entgegen bringen. Doch das ist auch egal. Sie ist wie sie ist und ohne sie, wäre ich heute nicht ich. Sie hat mich abgehärtet und mir gezeigt was ich nicht will. Mittlerweile bin ich meilenweit von ihren Lehren entfernt – und das ist gut so!

Gestern war ich also mal wieder bei ihr. Ich tue es, weil ich ihr trotz allem eine Freude machen will – sie hätte mich schließlich auch ertränken können…. Sie hat sich dazu entschieden mich ohne Liebe groß zu ziehen, deshalb besuche ich sie jetzt auch ohne Liebe. Sie hat auch nie etwas getan, weshalb ich sie lieben könnte.

Manche Menschen sind der Meinung mich warnen zu müssen. Wenn sie mal nicht mehr ist, dann würde ich sie vermissen. Ich solle doch die Zeit die uns noch bleibt, nutzen. Ganz ehrlich Leute, ihr habt keine Ahnung wie sie wirklich ist. Ich werde sie sicher nicht vermissen. Doch so lange sie lebt, werde ich sie zweimal im Jahr besuchen. Bis Weihnachten habe ich jetzt aber erstmal wieder meine Ruhe!

© Libellchen, 2015

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