So was aber auch! Hab die Familie von vorigem Jahr im Sommer wieder getroffen. Zur Erinnerung, ich habe mich mit einer 48-jährigen Frau angefreundet, die mit ihrem Lebensgefährten am selben See badet wie ich. Im Zuge dessen habe ich auch ihre Mutter und deren Lebensgefährten kennen gelernt. Und immer wenn ich baden war, haben wir uns voriges Jahr einen Baum geteilt. Diese Tradition haben wir heuer gleich wieder aufgenommen. Die Tochter war zwar ein wenig zurückhaltender als voriges Jahr, dafür hat mich ihre Mutter ins Herz geschlossen.
Am Samstag waren alle da, am Sonntag nur die älteren. Und wir plauderten wie alte Freunde. Und mittags gingen wir zur Kantine was trinken. Und da gönnte ich mir bei 30 Grad in der Sonne einen Aperol-Spritzer und einen halben Radler. Natürlich war ich dann auch gleich mal total beschwipst und schlief dann erstmal eine Runde im Schatten. So etwas ist mir ja überhaupt noch nie passiert. Andererseits neige ich auch nicht dazu mich mit wildfremden Familien anzufreunden…
Doch die sind irgendwie ganz was Eigenes. Ich mag sowohl Mutter als auch Tochter, auch wenn sie gar nicht soooo gut miteinander können. Der Mann der Tochter liegt mir gar nicht, dafür mag ich den Mann der Mutter. Wobei der Mann der Tochter 11 Jahre älter ist als die Tochter und der Mann der Mutter 11 Jahre jünger ist als die Mutter. Die Mutter ist natürlich schon in Pension und hat dementsprechend viel freie Zeit, da der Mann ja noch arbeitet. In der freien Zeit ist sie recht umtriebig und offensichtlich auch sehr kontaktfreudig. Und sie ist auf jeden Fall jung geblieben, optisch genauso wie geistig.
Ich finde das total witzig. Ich, die ich normalerweise sehr langsam auftaue, bin bei diesen Menschen total entspannt und offen. Aber vielleicht ist das auch nur der Anfang. Vielleicht bewegt sich da gerade etwas bei mir. Mir ist schon aufgefallen dass ich in letzter Zeit viel mehr auf Kollegen und dahergelaufene Kaffeeonkeln zugehe. Vielleicht ist das der nächste Schritt meiner persönlichen Entwicklung. Mich nicht mehr so einzukapseln. Mehr mit Menschen – auch wildfremden – zu reden und mit ihnen Zeit zu verbringen.
Bei meiner Badewahlfamilie achte ich auch überhaupt nicht auf die Zeit. Da habe ich kein „Ich sollte dann mal heimgehen putzen“ im Kopf. Ich genieße das plaudern und trinke am Sonntag zu Mittag einen Spritzer. Noch viel untypischer geht es eigentlich gar nicht. Andererseits gab es schon auch eine Zeit in meinem Leben, wo ich nicht so durchorganisiert, vernünftig und anständig war….
© Libellchen, 2015