Das wohl größte Thema meines Lebens. Mit unzuverlässigen Menschen kann ich einfach nicht umgehen. Und ich kann mich über sie sogar mehr ärgern, als über lügende Menschen. Wahrscheinlich weil ich selbst hin und wieder zu Notlügen greifen, aber noch nie in meinem Leben unzuverlässig war. Ich bin die Zuverlässigkeit in Person. Das bin ich. In meinem tiefsten Inneren.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, jemanden zu versetzen. Eine Aufgabe nicht zu erledigen. Einen Termin zu versäumen. Dabei werde ich mit den Jahren ein wenig entspannter. Früher kam ich immer eine Viertelstunde vor einem vereinbarten Termin an. Mittlerweile bin ich einfach nur pünktlich. Ich habe nicht mehr so viel Zeitpolster. Ich bin es einfach leid, mein Leben lang immer auf andere warten zu müssen.
Das ist der große Minuspunkt für uns zuverlässige Menschen. Wir sind immer diejenigen die auf andere warten. Wir haben unsere Sachen immer rechtzeitig beisammen. Andere schaffen das einfach nicht. Und genau diese anderen haben mich Zeit meines Lebens an den Rand meiner Grenzen getrieben.
Früher habe ich es sogar persönlich genommen, wenn mich Menschen warten liesen. Ich habe es als mangelnden Respekt mir gegenüber, als Mangel an Zuneigung verstanden. Mittlerweile nerven mich unzuverlässige Menschen einfach nur mehr und ich versuche sie zu meiden, soweit es geht. Was im Büro allerdings nicht so einfach ist. Dort habe ich sie in allen möglichen Tiefen überall. Manche sind zuverlässiger als andere, doch keiner ist auf derselben Stufe wie ich.
Ich fange rund um die Uhr vergessene Dinge und Termine auf. Mir kommen meine Mitmenschen oftmals wie kleine Traummännlein vor, die blind durchs Leben stolpern und noch nicht mal ihren engsten Bereich im Griff haben. Aber man gewöhnt sich bekanntlich an alles. Ich habe mich damit arrangiert und rege mich nicht mehr darüber auf. Doch im privaten gebe ich sie mir nur mehr bedingt. Unzuverlässige Menschen dürfen von mir keine Zuneigung mehr erwarten. Zu sehr schmerzt es wenn mich jemand den ich mag und für den ich immer da bin, mich pausenlos versetzt.
Das Thema habe ich durch und da hilft einfach nur die Vermeidungstaktik. Auch wenn ich es nicht mehr so persönlich nehme wie früher, so kann ich unzuverlässige Menschen einfach nicht so schätzen, wie zuverlässige. Jemand auf den ich mich nicht verlassen kann, ist einfach kein erstrebenswerter Umgang für mich. Ich brauche keine „Freunde“ die nicht da sind, wenn ich sie brauche. Ich brauche keine „Freunde“ die mich versetzen oder warten lassen. Ich brauche keine „Freunde“ die auf mich vergessen. Ich brauche keine „Freunde“ die sich noch nicht mal melden, wenn sie einen Termin mit mir nicht einhalten wollen/können. Ich habe mir solche Menschen lange genug „gegönnt“.
Auch wenn meine Erziehung das noch verstärkt haben dürfte, ist die Zuverlässigkeit ein Teil von mir. Das bin ich in meinem tiefsten Inneren. Ich kann und will da auch nicht raus. Ich werde mich sicher nicht den anderen anpassen. Ich sehe es als Privileg an, zu den zuverlässigen Menschen auf dieser Welt zu gehören. Der Fels in der Brandung. Immer da. Immer bereit andere aufzufangen – so sie es sich denn verdient haben. Und das ist der kleine, feine Unterschied zu früher. Mittlerweile suche ich mir aus, für wen ich da bin und für wen nicht. Und Menschen die glauben sich auf dem Rücken meiner Zuverlässigkeit ein schönes Leben machen zu können, sollten sich nicht wundern, wenn das nicht funktioniert. Vor Jahren hat es das noch, doch ich bin einem unzuverlässigen Menschen zu viel begegnet. Ich habe die Schnauze einfach voll!
© Libellchen, 2015