Ich finde es faszinierend welchen beruflichen Umschwung ich in den letzten Jahren gemacht habe. Als ich vor 17 Jahren zu arbeiten begonnen habe, war ich ein Perfektionist von der unangenehmen Sorte. Also musste perfekt stimmen und nur ich alleine konnte es richtig machen – Barbara erinnert mich immer ein wenig an mein früheres Ich. Ich war ein Fachmann in meinem Bereich und ich hielt mich strikt an die Regeln. Eine Abweichung von der Norm gab es nicht. So eine Einstellung ist natürlich nicht so schlecht, wenn man in der Kassenprüfung tätig ist. Doch natürlich passieren auch dem besten Perfektionisten Fehler. So auch mir. Doch wenn mir ein Fehler passiert war, dann bereitete mir das fast körperliche Schmerzen. Also erfand ich ein System wie ich jede meiner Handlungen, selbst 2 Mal kontrollieren konnte. Und so fand ich meine Fehler selbst. Was mich zwar trotzdem ärgerte, aber mir zumindest die Bauchschmerzen ersparte.
Im Laufe der Jahre lernte ich mit meinen Fehlern zu leben. Da meine Fehlerquote immer noch weit unter dem Durchschnitt lag, konnte ich Recht gut damit umgehen. Ich versuchte meine Arbeit immer noch perfekt zu machen, doch wenn mir mal etwas durchrutschte, so konnte ich es auch wegstecken, wenn mich mein Vorgesetzter darauf aufmerksam machte – ohne körperliche Beschwerden! An diese Ich erinnert mich Daniela, weshalb ich auch dienstlich so gut mit ihr auskomme. Was gibt es schließlich besseres als einen motivierten Mitarbeiter, der versucht keine Fehler zu machen!
Doch irgendwann bekam ich dann meine ersten Mitarbeiter und plötzlich war ich verantwortlich für die Leistung anderer. Von Mitarbeitern, die definitiv keine Perfektionisten sind! Von Mitarbeitern die teilweise noch nicht mal versuchen, fehlerfrei zu arbeiten! Ich kann euch sagen, es war die Hölle und ich mutierte zu einem Mikromanager der feinsten Sorte. Ich wollte alles wissen, kontrollierte jeden Handgriff und wenn etwas nicht so lief, wie ich mir das vorstellte, dann übernahm ich das Zepter und die Arbeit gleich mit. Ich ließ mir rund um die Uhr von allen erzählen was sie, warum, gemacht hatten. Schließlich wurde ja auch ich zur Rede gestellt, wenn etwas nicht passte!
Ich stand so unter Druck, dass es rückblickend ein Wunder ist, das ich nicht öfter explodiert bin. Wobei ich schon hin und wieder ausgerastet war. Das ist jetzt 8 Jahre her. Seitdem habe ich alles versucht um eine gute Vorgesetzte zu sein. Was mir nicht wirklich leicht fiel. Sie forderten mich auf die unterschiedlichsten Arten und ich meinte es tatsächlich so, wenn ich sagte „Ein Großteil meines Gehaltes ist Schmerzensgeld, weil ich mich mit denen rumärgern muss!“
Und irgendwann hat sich das dann verändert. Ich schätze es war, als ich so am Boden war, dass ich gerade genug Kraft hatte, täglich ins Büro zu gehen und nicht zusammen zu brechen. In den Monaten meines persönlichen Tiefpunktes, war mir die Qualität der Arbeit meiner Mitarbeiter einfach nur sch…egal. Ich hatte damit zu tun, darauf zu achten nicht zu heulen. In der Zeit verlor ich den Anschluss. Ich war nicht mehr über jedes Detail informiert und der Laden lief trotzdem. Ja, hin und wieder kamen Beschwerden, weil einfach Barbara unfreundlich war und Kurt nicht das tat, was er sollte. Aber auch dafür brachte ich kaum Kraft auf. Sollten sie sich doch beschweren, mir doch egal!
Irgendwie lernte ich in dieser Zeit eine Gelassenheit an mir kennen, die mir bis dahin gänzlich unbekannt war. Und ich behielt sie. Und letzte Woche wurde mir erst so richtig bewusst, wie sehr ich mich geändert hatte. Ich hatte einen Anruf, von jemanden der mit mir über ein Gerücht reden wollte, dass er gehört hatte. Er befürchtete etwas nicht mehr bekommen zu können, weil es ein diesbezügliches Schreiben von Barbara gab. Natürlich kannte ich das Schreiben, doch ich wollte mich nicht näher damit auseinandersetzen, da es sehr kompliziert war und dafür hatte ich schließlich Barbara. Also verwies ich ihn an sie. Doch er wollte mit mir – der Vorgesetzten – reden, über ein unbestätigtes Gerücht. Also verwies ich ihn nochmals an sie, sie würde das überprüfen und dann würden wir weiter sehen. Doch er wollte sich damit nicht zufrieden geben. Er wollte partout dass ich mich persönlich darum kümmere.
Aber ich bin doch kein Mikromanager – dachte ich so bei mir. Und als ich das dachte, wurde mir klar, dass es wahr war. Ich war weg vom Mikromanagement. Ich habe Sachbearbeiter, die kümmern sich darum. Ich bin nur für Probleme zuständig, die auch wirklich welche sind, ein Gerücht gehört da definitiv nicht darunter. Also blieb ich hart und wies ihn ab. 10 Mal verwies ich ihn an Barbara, bis er verstand, dass ich nicht für ihn nachschauen würde. Er würde die 2 Stunden warten müssen, bis Barbara wieder im Büro ist. Und das tat er dann auch. Und sie schaute nach. Und die Aufregung war umsonst. Das Gerücht hatte sich nicht bestätigt. Und ich war glücklich, dass ich kein Perfektionist oder Mikromanager mehr bin. Noch vor ein paar Jahren, hätte ich mir das alles rausgesucht, hätte mir die Unterlagen von Barbara geholt, hätte mich eingelesen und das Problem gelöst. Wahrscheinlich hätte ich dafür ein paar Stunden gebraucht. Barbara hatte das Problem in 10 Minuten gelöst. Gut der Bedienstet hatte 2 Stunden warten müssen, doch bei mir hätte er wahrscheinlich länger gewartet und mir hätte er die Zeit gestohlen. Und Barbara die Arbeit.
Das Leben als entspannter Delegierer ist definitiv cool. Mal schauen was da noch alles kommt in Zukunft…
© Libellchen, 2015