Willkommen in der Gemeinde

Kennenlernen von neuen Leuten ist definitiv nicht meines. Dazu bin ich einfach zu introvertiert. Ich gehe nicht auf fremde Menschen zu, kann nicht einfach ein Gespräch beginnen. Ich habe das nie gelernt und werde es vermutlich auch nicht mehr lernen. Wenn mich jemand anspricht, dann rede ich schon mit der Person, doch fürs ansprechen fehlen mir einfach die Ideen. Umso verwunderlicher ist es, dass ich tatsächlich zu der Informationsveranstaltung meines neuen Wohnortes gegangen bin. Doch ich wollte wissen, ob es noch etwas gibt, was ich noch nicht weiß. Es würde schon nicht so schlimm werden. Hah! Das war ein Irrtum. Zumindest der Anfang war der reinste Horror.

Als ich am Veranstaltungsort ankam, wurde ich erstmal begrüßt und brachte meine Jacke in die Garderobe. Und dann musste ich mir einen Sessel suchen. Und ich kannte niemanden! Also setzte ich mich neben 2 Frauen, wo noch 4 Plätze frei waren. Als ich fragte ob der Sessel noch frei sei, wurde ich erstmal von oben bis unten gemustert, erhielt ein verstimmtes „Ja“, nur um von da an nur mehr die Rückansicht meiner Nachbarin betrachten zu dürfen. Nett! So demonstrativ ignoriert werde ich normalerweise noch nicht mal von Anabel… Gegenüber saß ein Paar – was sich im späteren Verlauf, gar nicht als Paar herausstellte – er Mitglied des Gemeinderates und sie eine aufgetakelte Blondine. Zuerst dachte ich eben sie gehöre zu ihm, da sie ihm dauernd Abfälligkeiten über andere am Tisch zuflüsterte – allerdings so laut, dass ich sie auf der anderen Seite des Tisches einwandfrei verstehen konnte. Sie erinnerte mich so krass an meine Großmutter, dass sie mir sofort unsympathisch war! Als sie von einer Frau begrüßt wurde, lächelte sie ihr ins Gesicht, nur um sie sofort auszurichten, sobald sie außer Hörweite war. So ein Verhalten mochte ich noch nie und so beschloss ich, nach dem Vortrag gleich wieder zu gehen und das Buffet auszulassen.

Doch es sollte letztendlich doch ganz anders kommen. Kurz vor Beginn des Vortrages kamen noch 1 junge Frau und 2 Männer. Da die einzigen 3 freien Plätze nebeneinander, neben mir waren, setzten sie sich zu mir. Und sie waren mir auch ohne Worte sofort sympathisch. Nach dem Vortrag begannen wir ein wenig miteinander zu plaudern. Also sie sprach mich an. Natürlich! Und so holte ich mir dann doch irgendwann etwas vom Buffet und ich muss sagen das Essen war ausgezeichnet. Und beim Essen erfuhr ich einiges über meine jungen Nachbarn. Sie und ihr Mann haben sich beim Studium in Wien kennen gelernt. Sie kommt ursprünglich aus der Slowakei und ihr Mann von den Philippinen. Der zweite Mann, der dabei war, ist sein Kollege bei ihrem Kampfsportverein. Sie engagieren sich in einer Kirche, sie ist ausgebildet Psychologin, aber derzeit arbeitslos, da sie vor der Geburt ihres Kindes im Mai, nicht noch einen Job annehmen wollte, da sie mit dem Umzug sowieso genug zu tun hatten.

Die 3 sind zwar zwischen 8 und 12 Jahre jünger als ich, doch von der geistigen Reife würde ich sie weit erwachsener einreihen, als die weit älteren der Anwesenden, die nur am ablästern und ausrichten waren. Und so verkrümelten wir uns bald mal gemeinsam in den Keller wo eine Ausstellung eines österreichischen Malers lief. Dort trafen wir auf den Künstler und plauderten ein wenig mit ihm. Über seinen Schaffensprozess, seine Techniken, seine Inspiration,…. Im Anschluss daran besuchten wir noch das Museum, wo lauter alte Fotos und Überbleibsel aus früher Zeit, von unserem Wohnort, ausgestellt sind. Normalerweise muss man dafür bezahlen, wir durften gratis rein. Ich streifte mit meiner neuen Bekannten durch die Räume und plauderte munter drauf los. Als es dann nichts mehr zu sehen gab, gingen wir Mädels wieder nach oben und ließen die Männer im Keller zurück. Wir suchten uns einen Platz am Tisch – weit weg von den Lästermäulern – und tauschten uns über Bücher und Filme aus.

Und so endete der Abend dann um kurz vor 11 Uhr abends mit dem Angebot einer Schnupperstunde im Kampfsportverein und ausgetauschten Telefonnummern von uns Mädels! Es mag ja Menschen geben, denen so etwas öfter passiert. Ich gehöre da definitiv nicht dazu. Von daher habe ich mich sehr darüber gefreut, dass es in meinem Ort auch Menschen gibt, mit denen ich mich verstehe. Ich hatte echt schon befürchtet, dass ich umzingelt bin von unsympathischen Doppelgängern meiner Großmutter!

© Libellchen, 2015

3 Kommentare zu “Willkommen in der Gemeinde

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