Alles auf Anfang?

Die Seele freute sich. Sie würde mal wieder zum Essen eingeladen werden. Der süße Typ wollte sie vor Weihnachten nochmal treffen und hatte sich gemeldet. Sie hatte das Lokal ausgesucht und einen Tisch reserviert. Das würde eine Schlemmerei werden! Sie war schon in Urlaub und hatte seine Einladung ganz spontan angenommen und einfach ihre Pläne umgeschmissen. Ein Gratisessen konnte sie sich ja nicht entgehen lassen. Ihre Mutter hatte angefragt ob er vielleicht mehr wollen würde, doch da konnte die Seele nur lachen. Das Thema war sowas von durch! Und so war sie ganz entspannt als sie sich fertig machte. Sie suchte sich bequeme Kleidung raus, sexy war schließlich vergeudete Liebesmüh und machte sich fertig.

20 Minuten zu früh meldete er sich, er sei schon beim Restaurant und würde auf sie warten. Das würde er auch müssen, sie war schließlich noch nicht fertig. 5 Minuten früher als verabredet traf sie dann auch ein und gemeinsam suchten sie sich ein Plätzchen. Das Essen war lecker, die Konversation wie immer und auch der übliche Körperkontakt war auch vorhanden. Alles war wie immer. Nach 2 Stunden zahlte er und rief zum Aufbruch. Die Seele überlegte was sie noch angehen würde, sobald sie zu Hause war. Vielleicht noch einen Blogbeitrag schreiben…? Doch da fragte er doch tatsächlich ob er noch einen Kaffee bei ihr bekommen würde.

Klar, warum nicht. Sie fuhren zu ihr und dort zeigte sie ihm die neuen Möbel die er noch nicht kannte. Während sie sich etwas noch bequemeres anzog, machte er es sich auf der Couch gemütlich. Das war das erste Mal, wo die Seele merkte, dass irgendetwas anders war. Er war entspannt und nicht wie üblich auf der Flucht. Sie setzte sich neben ihn und sie fuhren mit ihrem Gespräch einfach fort. Sie plauderten und lümmelten auf der Couch rum.

Bis sie die alles entscheidende Frage stellte „Warum wolltest dich eigentlich treffen?“
Er: „Um dir dein Weihnachtsgeschenk zu geben!“
Sie: „Wo ist es denn?“
Er: „Na hier“ – dabei deutete er auf sich selbst
Sie: „Achja, und was genau bekomme ich?“ – immer diese Witzchen die er sowieso nicht so meint!
Er: „Nähe, Wärme und Zuneigung.“ Und dabei nahm er sie in den Arm und ließ sie die nächsten 2 Stunden nicht mehr los. So kuschelten sie auf der Couch, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt.

Die Seele merkte, dass der Körper immer noch exakt in seine Arme passte. Dort war ihr immer noch ihr Lieblingsplatz. Das Herz beobachtete das ganze allerdings aus sicherer Entfernung und der Kopf war irgendwie verschwunden. Uns so blieben nur sie und der Körper. Und der Körper, der Verräter, reagierte auf jede seiner Berührungen wohlwollend. Und da lernte die Seele was Neues. Wenn sich der Körper wohl fühlte, ging es auch ihr gut. Und so genossen sie einfach das was es er ihr gab. Nähe, Wärme und Zuneigung!

Nach 2 Stunden musste er aber los. Tja, sie hätte es zwar gern noch länger ausgekostet, doch wenn er los muss, muss er los. Auch kein Drama. Doch da warf er ihr vor, dass sie ihr Geschenk gar nicht ausgepackt hatte. Doch jetzt sei es zu spät. Hm. Sollte sie ihn gehen lassen oder versuchen ihn noch ein wenig zu behalten? Sie versuchte letzteres und es funktionierte. Und als er sie küsste, war sie total verwirrt. Wie konnte sich das bloß so gut anfühlen? Vor 5 Jahren war sie bedingungslos in ihn verliebt gewesen. Sie hätte alles für ihn getan. Das Herz war benebelt von seiner Liebe und die Seele war gerade erst erwacht. Jetzt stand das Herz unbeteiligt daneben und die Seele war erwachsen geworden und doch fühlten sich seine Küsse an wie vor 5 Jahren. Doch nicht nur seine Küsse waren so gut wie damals, auch jede Berührung seiner Finger auf ihrer nackten Haut, war so vertraut, so gut, als würde er direkt die Seele streicheln, nicht nur den Körper. 2 weitere Stunden erkundeten sie zärtlich ihre Körper und genossen die Zweisamkeit bis seine, wahrscheinlich unvermeidliche, Flucht begann. Doch auch wenn der Körper unbefriedigt zurück blieb, die Seele war mehr als glücklich. Er hatte ihr ein paar schöne Stunden geschenkt. Die Flucht nahm sie nicht mehr persönlich. Sie wusste heute viel mehr über ihn, als damals. Sie wusste dass es nicht an ihr lag. Sie wusste dass er es genossen hatte, genauso wie sie. Wäre es nicht schön für ihn gewesen, hätte er nicht flüchten müssen. Doch es gibt da diesen Punkt bei ihm, da schaltet sich sein Kopf ein.

Was die Seele am meisten verwirrte war allerdings die Reaktion von Herz und Kopf. Der Kopf ließ sich überhaupt nicht blicken. Weder belehrend, warnend, noch zustimmend und das Herz stand nur nickend daneben und kümmert sich dann wieder um anderes. Das Herz wusste schon seit Jahren dass es ihn liebte, daran hatte sich nie etwas geändert. Doch die Verliebtheit war verschwunden. Sie sah jetzt klar. Sie kannte seine Grenzen. Sie würden nie gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten, doch war das nicht egal? War es nicht wichtiger das heute zu genießen, als sich über das morgen Gedanken zu machen?

Und so nahm die Seele das Geschenk dankbar an und lebte dann wieder ihr normales Leben weiter. Ihr schönes, ruhiges Leben, das kurz von einem süßen Typen durcheinandergewirbelt worden war. Doch nun war wieder alles wie vorher und das war gut so!

© Libellchen, 2014

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