Ich habe für mich beschlossen, nicht mehr mit Menschen zu diskutieren, die sich in eine Sache reinsteigern. Die sind mir einfach zu emotional und wenn ich mit ihnen diskutiere, dann werde ich ebenfalls emotional. Wenn sich also jemand neben mir über etwas extrem aufregt, halte ich meinen Mund und mache die emotionalen Schotten dicht! Menschen die sich in etwas reinsteigern, wollen ja sowieso nur Zustimmung hören. Bekommen sie die nicht werden sie ungehalten. Von daher schenke ich mir das einfach.
Letztens erwähnte ich im Büro dass in Saudi Arabien ein Blogger – wegen Kritik an der Führung (Regierung kann man ja nicht sagen) – zu einer Haft- und Geldstrafe und zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt wurde! Habe das in mehreren Medien gefunden, dürfte also was Wahres dran sein. Doch wie überlebt man 1.000 Peitschenhiebe? Auf einmal gar nicht, aber vielleicht werden die auch „in Raten“ verteilt? Als Margit das hörte, war sie sofort in ihrem Element.
„Die Kinderschänder könnte man doch einfach auspeitschen bis sie hin sind die Kripiviecha.“ Ach immer wieder schön ihre Ausraster. Ich hielt meinen Mund. Also legte sie nach. „Die würden es immerhin verdienen wenn man sie niedaprackt!“ Wenn sie sich so aufregt kommt der Wiener Prolet in ihr so richtig schön zum Vorschein. Ich hab mir also auf die Zunge gebissen und meinen Mund gehalten. Denn in so einer Phase kann man mit ihr nicht vernünftig reden. Was hätte ich gesagt, wenn sie für Argumente zugänglich gewesen wäre?
Dass ich froh bin, dass wir in einem Land leben wo nicht Menschen einfach umgebracht werden. Natürlich ist Kindesmissbrauch eines der schlimmsten Verbrechen dass ich mir vorstellen kann. Doch ich weiß auch genau wie schnell ein falscher Verdacht gestreut wird – brauche nur denke wie meine Großmutter meinem Stiefvater unterstellt hat mich missbrauchen zu wollen! Und was tut man wenn man wenn man einen Unschuldigen umgebracht hat? Nichts mehr. Dann ist es zu spät. Ich stehe der Todesstrafe also vorsichtig gegenüber. Auf der einen Seite habe ich kein Problem damit wenn sie ausgeübt wird, bei jemand der jemand anderen das Leben genommen hat. Andererseits kenne ich diese Welt gut genug um zu wissen, dass es mehrere Wahrheiten gibt. Das gelogen, betrogen und denunziert wird.
Es ist nicht so einfach wirklich herauszufinden was passiert ist. Augenzeugen geben unterschiedliche Auskünfte, Polizeibeamte haben Vorurteile, Richter schlecht geschlafen. Das Rechtssystem ist fehleranfällig da es von Menschen gehandhabt wird, die nun mal Fehler machen. Einen Menschen zum Tode zu verurteilen ist deshalb ein sehr gefährliches Instrument, vor allem in der Hand der falschen Menschen. Von daher bin ich froh, dass es sie bei uns nicht gibt. Margit sieht das anders. Sie fordert in regelmäßigen Abständen die Todesstrafe für Kindesmissbrauch und Tierquälerei. Und wenn sie sich so reinsteigert habe ich auch das Gefühl, dass sie die Ausführung gerne selbst übernehmen würde. Wenn ich ihr in so einem Moment in ihr hasserfülltes Gesicht sehe, dann mache ich mir Sorgen. Sorgen was mit dieser Welt noch wird, wenn selbst im Paradies Österreich eine Bedienstete im öffentlichen Dienst solche Wut gegen unbekannte Menschen empfinden kann. Wie muss es dann den Menschen in den Kriegsgebieten gehen, die sogar noch echte Gegner haben? Werden wir Menschen es jemals schaffen den Kreislauf von Gewalt und Gegenwalt zu durchbrechen? Wenn ich Margits Gesicht so betrachte, dann habe ich da echte Zweifel daran!
© Libellchen, 2014