Die irre Frau

Normalerweise halte ich mich mit wertenden Aussagen zurück, doch ich weiß echt nicht wie ich diese Frau sonst betiteln sollte. Es war so schön sonnig und ich war so entspannt. Da kam sie. Mitten in den Weingärten in Perchtoldsdorf. Eine zirka 45-jährige, sportliche Frau. Schön frisierte Haare, modisches Sportgewand und Walkingstecken. Auf den ersten Blick dachte ich an eine reiche Anwohnerin. Sie war so der Mercedes-Cabrio-Typ, der Chanel-Handtäschen tragende, stilvolle, reiche Typ.

Sie kam mir entgegen als ich gerade ein Foto von den Weingärten machte. Ich war wie üblich in meine Cargohose gekleidet, hatte ein sportliches Top an und meinen Rucksack auf dem Rücken. Vor der Sonne schützte ich mich mit meinen Sonnenbrillen und die Kamera hatte ich in der Hand. Als sie näher kam, wollte ich gerade zum Gruß ansetzen, als ich merkte dass sie Selbstgespräche führte. Zumindest wirkte es so und ein Headset konnte ich nicht entdecken. Ich wendete mich wieder meiner Fotografie zu und ignorierte sie – Menschen die vor sich hinmurmeln sind mir irgendwie unheimlich.

Als sie an mir vorbei ging hörte ich einige Wortfetzen „am Tag des Herrn“ „Teufelszeug“ „Elektronik“ „Blut soll es regnen“. Diese Wortfetzen bestärkten mich daran sie zu ignorieren. Ich blieb stehen – soll man ja auch bei gefährlichen Tieren tun, nur nicht weglaufen – und hielt still. Allerdings fühlte ich mich nicht angesprochen, ich dachte einfach sie würde sich über irgendetwas aufregen. Sie ging noch 2 Schritte weiter und dann hob sie ihren einen Stecken über den Kopf und funkelte mich böse an. Eine echt bedrohliche Geste, auch wenn sie zu weit weg war um mich richtig bedroht zu fühlen.

Da ich mich immer noch nicht angesprochen fühlte, drehte ich mich sogar um, um zu sehen was sie so aufregte. Doch da war niemand. Nur sie – den Stecken immer noch erhoben – und ich mit meiner Digitalkamera. Da verband ich dann ihre gemurmelten Worte mit meiner „Schandtat“. Ich fotografierte an einem Sonntag die Weingärten! Wie kann ich nur! Ahm. Ich beschloss den langsamen unaufgeregten Rückzug anzutreten. Jemand der 2014 mit einem Fotoapparat ein Problem hat, mit dem sollte ich nicht das Gespräch suchen….

Ich drehte ihr vorsichtig den Rücken zu und ging – intensiv lauschend – in die Richtung aus der sie gekommen war. Als ich mich ein wenig später umdrehte, stand sie immer noch den Stecken erhoben auf dem Weg. Ich beschleunigte meinen Schritt und verschwand hinter der nächsten Kurve! Hatte diese Irre mich tatsächlich verflucht? Unglaublich wie ein Frau die so normal aussieht, so – es tut mir leid – irre sein kann! Ich muss gestehen auf dem Rückweg zum Auto behielt ich immer schön die Umgebung im Blick. Also es gibt schon Orte wo ich mit sowas rechne – in Wien in der U-Bahn ist mir sowas schon öfter passiert – doch in den Weingärten einer der teuersten Gemeinden Österreichs, hätte ich das zu allerletzt erwartet…..

© Libellchen, 2014

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