Ein Thema was mich schon seit Jahrzehnten verfolgt und zuletzt bei Wolfgang „hochkochte“. Ich bin für viele Männer zu stark, zu dominant. Dabei bin ich das im tiefsten Inneren gar nicht, aber ich weiß schon warum ich so wirke. Ich war lange Zeit auf mich alleine gestellt und habe gelernt alleine klar zu kommen. Ich habe Karriere gemacht, habe meine eigene Wohnung, mein eigenes Auto – alles selbst erarbeitet! Und ich habe 7 Mitarbeiter, die mehr oder weniger dauernd Entscheidungen von mir fordern.
Was mache ich mit diesem Beleg? Was soll ich dem Mitarbeiter sagen? Wem schicke ich das Schreiben? Woher bekomme ich die Telefonnummer? So geht das lieben, langen Tag und ich habe mich bereits daran gewöhnt. Den ganzen Tag treffe ich Entscheidungen für mich und meine Mitarbeiter. Ich KANN das. Aber für mein Privatleben WILL ich das eigentlich nicht. Natürlich bleibt mir nichts anderes übrig. Ich habe schließlich auch niemanden im Privaten der mir mal eine Entscheidung abnehmen könnte.
Ich weiß dass ich stark bin, aber ich wäre auch nicht böse, wenn es einen Mann gäbe, wo ich auch mal schwach sein darf. Ich hätte kein Problem wenn ich nicht immer den Fahrer spielen müsste, weil andere lieber mit mir mit, als selber fahren. Ich würde gern mal ein paar Entscheidungen abgeben, doch bei mir gibt es keinen Schalter, den man einfach umlegen kann. Wenn man über Jahrzehnte immer alle Entscheidungen selbst getroffen hat, dann braucht es einfach ein wenig Zeit, sich daran zu gewöhnen, dass man Verantwortung auch teilen kann.
Wolfgang kannte mich nicht lange genug, dass ich mich hätte daran gewöhnen können. Und so kam auch von ihm der Vorwurf ich sei zu dominant und wolle alles entscheiden. Was zwar absoluter Blödsinn ist, aber mich trotzdem getroffen hat – warum nur wirke ich immer so? Also habe ich mich mal selbst beobachtet im Alltag und ja ich treffe Entscheidungen – jeden Tag unzählige. Nur, wenn ich das nicht machen würde, käme ich überhaupt nicht weiter. Wolfgang gehört zu den Menschen, die eher unvorbereitet durchs Leben stolpern – bestes Beispiel war dass er ohne etwas zu trinken wandern ging. Ich hingegen bin die Ausgerüstete. Ich habe die richtigen Schuhe, was zu essen und zu trinken, ja sogar eine Erste-Hilfe-Tasche.
Es gibt Dinge die habe ich verinnerlicht, über die muss ich nicht nachdenken. Wenn ich wandern gehe, muss ich mir keine Gedanken machen was ich in meinen Rucksack packe – das ist abgespeicherte Routine. Ich habe mir bei meinem ersten Wanderausflug Gedanken gemacht und seitdem ist der Rucksack ratzfatz gepackt. Ist das Stärke? Finde ich nicht. Ich finde das ist gesunder Menschenverstand. Wenn ich stundenlang durch den Wald oder auf den Berg gehe, brauche ich gewisse Dinge mit. Aber natürlich wirke ich dadurch auf Menschen die nicht so „ticken“ dominant. Weil ich weiß genau was ich mitbrauche und packe das einfach ein. Ich MACHE einfach, ohne jemand um Hilfe zu bitten.
Ist das die Stärke die Männer abschreckt? Weil ich einfach anpacke und mache? Naja, wenn ich das nicht könnte, wäre ich schon vor 20 Jahren verhungert…. Ich finde das als gutes Beispiel für den Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Menschen die mich nicht kennen, sehen nur die antrainierte Stärke. Das anpacken wenn Bedarf besteht. Doch natürlich sieht mein Umfeld nicht, das ich mir hin und wieder – eigentlich recht häufig wenn ich ehrlich bin – wünschen würde, dass mir einfach jemand etwas von der Last abnimmt. Das ich mal endlich mal einfach mitgehen oder mitfahren kann. Dass ich mich nicht darum kümmern muss wo es lang geht. Das nicht ich immer, mitten in der Nacht, mich wach halten muss um uns heil nach Hause zu bringen.
Aber irgendwie ist das ein Teufelskreis. So lange die Stärke im Büro gefordert wird, ziehe ich auch Menschen an, die sich gerne zurücklehnen und mich machen lassen. Und ich mache ja auch, ohne zu überlegen – bin es ja gewohnt. Aber ich denke wenn mir mal ein Mann über den Weg läuft, der mir einen Teil meiner Last abnimmt, dann werde ich das extrem zu schätzen wissen!
© Libellchen, 2014