Emotionale Ruhe

Kann man eigentlich beides haben? Nähe zu einem anderen Menschen und emotionale Ausgeglichenheit? Oder muss man sich entscheiden? Im Moment habe ich das Gefühl es gibt nur entweder oder. Entweder öffne ich mich und lasse Nähe zu – mit der Gefahr verletzt zu werden – oder ich schotte mich emotional ab. Und muss es eigentlich immer in Tränen enden? Gibt es gar kein Happy End auf dieser Welt? Nein, gibt es nicht. Selbst Paare wo es funktioniert, werden eines Tages durch den Tod getrennt. Die Tränen sind also vorprogrammiert, so oder so. Außer ich lasse mich nie emotional auf jemand anderen ein. Wenn ich niemand an mich ranlasse, dann kann ich auch nichts verlieren. Will ich dort wieder hin?

Da war ich schon mal. Ein sehr einsamer Ort. Und auch keiner wo ich es über Jahrzehnte aushalten würde. Und vor allem, wenn man sich zu lange Emotionen vom Hals hält, dann überrollen sie einen dann einfach. Wenn man jahrelang keine Nähe zulässt und dann doch irgendwann aufmacht, dann wird man extrem angreifbar. Das ist so ähnlich wie wenn man sich alle Bakterien vom Hals hält und dann plötzlich mit einem Virus infiziert wird und kein funktionierendes Immunsystem hat. Mein emotionales Immunsystem ist definitiv ein Problem. Es funktioniert einfach nicht. Hat es nie. Lange Jahre war ich emotional „krank“. Ich habe gelitten ohne Aussicht auf Besserung. Irgendwann fand ich dann eine Möglichkeit mich abzuschotten. Danach gings mir besser, doch es war auch eine sehr einsame Zeit. In so ein antibakterielles Zelt, darf halt niemand rein. Denn sobald man wieder einem Virus ausgesetzt wird, ist man sofort wieder krank.

Aretha hat das damals aufgebrochen. Sie ist einfach reinspaziert. Ich wollte das nicht, was ich ihr auch sagte, doch sie versicherte mir, dass sie mich nicht krank machen würde. Was auch stimmte. Doch nach ihr, kamen andere und die taten mir weh. Was ist das für ein Konstrukt Leben das immer im Schmerz endet? Wir haben keine Chance da lebend rauszukommen. Am Ende verlieren wir alle die wir lieben, bis wir selbst zu Staub zerfallen. Es gibt keinen guten Weg raus. Was soll das also? Wieso versuchen wir unser Leben lang das Glück zu finden, wenn wir doch schon von Anfang wissen, dass wir es wieder verlieren? Ganz abgesehen von den Verletzungen am Weg.

Es gibt da einen guten chinesischen Spruch. „Am Ende wird alles gut, ist es noch nicht gut, ist es noch nicht das Ende.“ Es gibt Tage da liebe ich ihn, es gibt Tage da hasse ich ihn. Soll ich jetzt froh sein, dass ich leide, weil das heißt dass ich noch nicht sterbe? An anderen Tagen gibt er mir Hoffnung, dass es wieder besser wird. Besser? Was ist besser? Im Moment ein Ende der Tränen. Die Tränen sind nicht wegen Wolfgang. Die Tränen kommen wegen meines verkorksten Lebens. Er war nur der Auslöser. Er hat wieder einiges angestoßen – und wird es wahrscheinlich auch noch in Zukunft tun. Ich habe von Anfang gesagt, er wird mir bleiben, so oder so. Wir verstehen uns einfach zu gut. Und ich bin Gott sei Dank nicht verliebt. Ich genieße nur die Gespräche. Das von einem Mann verstanden werden. Habe ich halt einen neuen männlichen Freund. Auch okay. Ich werde das akzeptieren. Auch wenn er meint – vielleicht wird’s ja noch was, sobald er seine „Situation“ gelöst hat. Also ganz ehrlich darauf warte ich sicher nicht. Wir bleiben Freunde, wir wandern, wir reden und aus. Ich werde jetzt sicher nicht darauf warten, dass er es sich anders überlegt. Und das sollte er sich besser auch schenken. Denn wenn ich ihn emotional – nach einem erotischen Ausflug – in die Schublade Freund stecke, dann kommt er da auch nicht mehr raus.

Vielleicht ist besser, dass ich einen neuen guten Freund habe? Freut mich, wenn jetzt noch die Tränen aufhören würden, wäre ich schon fast wieder glücklich….
© Libellchen, 2014

2 Kommentare zu “Emotionale Ruhe

  1. Ich kann nichts Produktives beitragen, weil ich zurzeit selber ein Eisberg bin und mir negative Emotionen genauso vom Hals halte wie positive, die mich verletzlich machen würden. Es ist eine schwere Balance mit den Emotionen. Nur wer das Leid fühlt, kann auch das Glück fühlen.
    Eine emotionale Ausgeglichenheit ergibt sich aber auch nicht zwangsläufig dadurch, dass man allein ist. Da gibt es dann andere Dinge, die das Innere ins Wanken bringen. Auf der anderen Seite schließt eine Partnerschaft emotionale Ausgeglichenheit nicht aus. Es gibt immer Phasen, in denen man sich emotional besser und schlechter fühlt, unabhängig davon, ob man in einer Beziehung oder alleine lebt.
    Den Vergleich mit dem Immunsystem fand ich übrigens sehr interessant. Regt mich zum Nachdenken an.

    Ich lass dir mal ein paar Taschentücher und ein bisschen Schoki da. Tränen sind okay, sie sind ein Ventil. Schoki essen auch 😉 Leiden ist okay, das gehört dazu. Aber irgendwann muss damit Schluss sein. Kürzlich las ich einen schönen Satz, der ungefähr so ging: „Du kannst weinen, trauern, schluchzen, dich selbst bemitleiden. Aber wenn du fertig bist, dann sorge dafür, dass dich dieser Grund nie wieder zum Weinen bringt.“

    • Guter Spruch! Funktioniert zwar nicht immer, aber immer öfter! Ich versuche ja auch immer alles zu lösen. Funktioniert halt nicht immer gleich beim ersten Mal.
      Die Tränen waren in Ordnung, hatte eh schon länger keinen Grund zum heulen, von daher, wars wohl mal wieder Zeit. Was ich auch merke, nur wenn mich etwas zum weinen bringt, stelle ich mich dem Thema. Solange es nicht richtig weh tut, kann ich es recht gut verdrängen. Man könnte also sagen, die Tränen (und die Schoki) haben mich mal wieder ein Stück weiter gebracht!
      LG

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