Nach dem Frühstück ging es endlich in die Natur. Das wichtigste Utensil für diesen Urlaub, waren die Wanderschuhe. Und die holte ich jetzt raus. Natürlich waren sie nagelneu. Beim Koffer packen für L.A. konnte ich ja nicht ahnen, dass ich in den Wäldern von Kanada landen würde. Natürlich musste ich sie erst mal eingehen, deshalb hatte ich auch einen unverschämt großen Vorrat an Blasenpflastern mitgenommen. Doch meine Vorsicht war unnötig. Die Schuhe passten, das Wetter hielt und da Aksel hier mehr oder weniger groß geworden war, kannte er die ganzen schönen Plätze. Jeden schönen Aussichtspunkt, jeden Bach, jede Felsformation. Er zeigte mir alles und ich machte hunderte von Fotos. Meine Blogleser würden sich freuen. In letzter Zeit hatte ich sie ein wenig vernachlässigt und ich wollte es wieder gut machen. Und so sicherte ich abends immer die Fotos auf dem Laptop und schrieb die Blogbeiträge vor. Natürlich konnte ich sie nicht online stellen, denn Internet hatten wir hier nicht. Ein wenig mussten sie sich also noch gedulden. Zumindest bis ich wieder in L.A. wäre.
Und so verbrachten wir die erste Urlaubswoche in schönster Zweisamkeit. Gestern waren wir im Ort unsere Vorräte aufstocken und heute wollten wir wieder wie gewohnt wandern gehen. Doch diesmal ging etwas schief. Aksel rutschte bei einem Felsen aus und fiel in die Tiefe. Fast hätte ich ihm nicht helfen können, da mein Herz aussetzte. Gott sei Dank, setzte es sich nach einer Schrecksekunde wieder in Gang und ich konnte mich um das Absturzopfer kümmern. Er hatte Glück gehabt. Er hatte sich ein paar Schnittwunden und eine ein wenig größere Fleischwunde am unteren Rücken zugezogen. Doch er würde es überleben. Wir beendeten unsere Wanderung und gingen zur Hütte zurück, wo ich meine Erste-Hilfe-Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Ich reinigte seine Wunden und verband sie. Bei den Schnittwunden reichte ein Pflaster, doch die Fleischwunde musste ich mit einem richtigen Verband verarzten. Bei der Reinigung der Fleischwunde merkte ich dass er Schmerzen hatte.
„Alles okay?“ Ich war besorgt. Vielleicht hatte er noch eine andere Verletzung von der ich noch nichts wusste.
„Jaja, es ist nur die Wunde die du gerade versuchst zu verbinden.“
„Ich beeil mich!“ Schließlich wollte ich ihn ja nicht leiden sehen! Ich war extrem vorsichtig und versuchte nicht mehr als notwendig an der Wunde anzustreifen. Ich wickelte den Verband fachmännisch um seinen Oberkörper und betrachtete zufrieden mein Werk
„Fertig!“
In dem Moment drehte er sich zu mir um und küsste mich. Direkt auf den Mund. Ich riss die Augen auf und vergaß meine Sprachfertigkeiten. Es war ein Dankeschön-Kuss gewesen. Ein liebevoller, zärtlicher Kuss. Ich war so überrascht, dass ich den Kuss noch nicht mal erwidern konnte. Ich hatte alles vergessen. Das einzige was in dem Moment noch funktionierte war atmen.
„Entschuldige!“ Dieses Wort drang dann doch in mein Gehirn vor. Ich schaute ihn immer noch geschockt an. Wofür entschuldigte er sich bloß? Dafür dass ich endlich, nach all dem kuscheln, seine Lippen auf meinen spüren durfte? Dafür dass er mich gerade zur glücklichsten Frau auf Erden gemacht hatte? Warum entschuldigte er sich eigentlich? Mein Kopf nahm seine Arbeit wieder auf und analysierte die Situation. Er hatte mich geküsst. Ich hatte den Kuss nicht erwidert. Ich schaute ihn immer noch geschockt an. Er wusste nicht was ich, schon seit geraumer Zeit, für ihn empfand. Er konnte also davon ausgehen, dass ich nicht geküsst werden wollte. Jetzt wäre es echt hilfreich, wenn ich meine Schüchternheit überwinden könnte. Doch das konnte ich nicht. Ich konnte nicht sagen was ich fühlte. Ich merkte wie er sich wegdrehen wollte. Und da musste ich etwas tun.
© Libellchen, 2014
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