Ich will schon lange etwas darüber schreiben, doch bisher habe ich es immer aufgeschoben. Als ich jung war, dachte ich einen Jungen bedingungslos zu lieben. Doch so war es eigentlich nicht. Ja, ich hätte fast alles für ihn getan, aber nicht damit er glücklich ist, sondern damit er mich liebt. Mein Ziel war nicht selbstlos, sondern egoistisch. Und so ist es meistens. Wir Menschen sind auf der Suche nach unserem eigenen Glück. Wir wollen glücklich sein. Natürlich wollen wir auch, dass es den Menschen die wir lieben gut geht. Doch wer von uns ist eigentlich wirklich so selbstlos, das eigene Glück hinter das anderer zu stellen?
Als ich „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm das erste Mal gelesen habe, sprang mich das Kapitel über die selbstlose Liebe regelrecht an. Man stelle sich vor, der eigene Partner verlässt einen, weil er oder sie jemand gefunden hat, bei dem er oder sie glücklicher ist. Wer von uns freut sich darüber, dass er oder sie, jetzt noch glücklicher ist, als mit uns? Also ich nicht! Ich bin ein Freund von Win-win-Situationen. Auch in der Liebe. Wenn immer nur einer gibt und der andere nimmt, ist es nicht ausgeglichen. Es ist dann keine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe. Und trotzdem faszinieren mich die „selbstlos Liebenden“ in Filmen, Serien und Büchern.
Achtung Spoileralarm für Vampire Diaries Staffel 4, Homeland Staffel 2, Shades of Grey, Twilight
Fangen wir mit Edward und Bella an. Er verlässt sie, weil er für sie eine Gefahr darstellt. 100 Jahre hat er alleine verbracht, dann kommt sie, die Liebe seines Lebens und als er merkt, dass seine bloße Anwesenheit für sie eine Gefahr darstellt, verlässt er sie. Er will sie schützen, auch wenn er alles verliert, was er eigentlich liebt. Mit dem Ergebnis, dass beide fast draufgehen!
Stefan und Elena. Er ist bereit sie sterben zu lassen, nur um ihr ihren freien Willen zu lassen. Wie blöd ist dass denn? Und letztendlich bekommt sein Bruder das Mädchen. Er war nicht bereit sie sterben zu lassen. Natürlich ist sie auf ihn sauer, aber sie verzeiht Damon. Was sie nicht könnte, wenn sie „Dank“ Stefan´s Nichtstun draufgegangen wäre. Und warum? Weil ihr nichts wichtiger ist, als ihr freier Wille? Also ich als egoistischer Mensch, würde auf den freien Willen pfeifen und den Menschen den ich liebe retten!
Carrie und Brody. Terrorist oder Held? Die CIA-Agentin verliebt in den Möglicherweise-Terroristen. Als sie seinen Plänen zu nahe kommt, sorgt er dafür, dass sie in der Psychiatrie landet. Da sie an ihrem Geist zweifelt, lässt sie sogar eine Elektroschock-Behandlung über sich ergehen. Doch sie verzeiht ihm. Wäre sogar bereit ihren, über alles geliebten, Job aufzugeben nur um bei ihm sein zu können. Also wenn ein Typ dafür sorgt, dass ich in der Psychiatrie lande, dann könnte er mich für den Rest meines Lebens kreuzweise!
Christian und Ana. Das unschuldige Mädchen vom Lande, das an den dominanten, erfolgreichen, reichen, gutaussehenden, stalkenden Businessmann gerät. Er will jeden ihrer Schritte kontrollieren. Will sie dazu zwingen zu tun was er will. Will ihr vorscheiben was sie essen soll, wie oft sie Sport macht, mit wem sie sich trifft. Will sie in seinem Spielzimmer dominieren. Und sie? Sie denkt ernsthaft darüber nach. Sie will zwar gewisse Sachen nicht machen, doch sie will dass er glücklich ist. Also lässt sie immer mehr zu. So ein unheimlicher Typ kann gar nicht so schön sein, dass ich mich auf ihn einlassen würde!
4 Szenarien, die ich in meinem wirklichen Leben niemals zulassen würde. Das ist nicht meine Welt! Und doch zittere ich mit ihnen mit. Hoffe dass Carrie ihren Brody bekommt. Hoffe dass Ana es schafft, Christian zu helfen. Hoffe dass Stefan glücklich wird, auch wenn ich persönlich ein Anhänger von Delena bin. Und habe mich über das Happy End von Edward und Bella gefreut.
Und woran liegt es? An ausgezeichneten Schriftstellern. Wer sich solche Beziehungskisten einfallen lassen kann und den Leser bzw. Zuschauer dazu bringt, an etwas zu glauben, woran er in Wirklichkeit nicht glauben würde, der ist für mich einsame Spitze! Vielen Dank an die unglaubliche Kreativität in dieser Welt!
© Libellchen, 2013
Ich glaube, dass es diese 4 Szenarien wirklich gibt. Nicht nur in Hollywood. Ob dies wirklich etwas mit selbstloser Liebe oder mehr mit absoluter Selbstaufgabe bzw. nicht vorhandenem Selbstwert zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt.
Hollywood stellt es gern als selbstlose Liebe dar, im wahren Leben sind wir wahrscheinlich wirklich bei mangelndem Selbstwertgefühl…
Super geschrieben.
Ich hatte tatsächlich mal ein Buch von John Gray gelesen. Na ja, fast gelesen. Eine Sache blieb aber bei mir hängen, und zwar die Theorie von der „Acht“. Eine Dauerschleife, die es in jeder Beziehung geben sollte. Ich tue alles dafür, dass mein Partner glücklich ist. Allerdings aus egoistischen Motiven, weil dies wiederum mich glücklich machen soll. Bin ich dann glücklich, so ist es mein Partner auch. Man handelt also im Endeffekt nicht selbstlos, sondern aus reinem Selbstzweck.
Oder wie ich immer sage: Wir sind alle kleine Egoisten.
Ja, sind wir.
Ich glaube es ist gar nicht so schlimm, dass wir Egoisten sind. Man sollte sich dessen halt nur bewusst sein!
Richtig. Und mit dem Bewusstsein dessen wird auch vieles einfacher.