Nach der Geburtstagsfeier bei meiner Großmutter, war ich mit meiner Mutter noch Essen. Da wir sehr hungrig waren, sind wir in unserem Heimatort, in die Pizzeria eingefallen. In dieser Pizzeria habe ich als Teenager sehr viel Zeit verbracht. Ich hatte dort sehr viele Räusche, habe mit Typen rumgeknutscht und mit Freundinnen Zeit verbracht. Man könnte sagen ich war Stammgast.
Vor einem Jahr waren wir dort schon mal essen, doch damals waren wir alleine. Diesmal nicht. Gerade als wir uns setzten kam ein alter Bekannter vorbei. Er dürfte Pizza geholt haben – wie vor 16 Jahren. Damals saßen wir oft in seiner Wohnung, haben Computer gespielt, getrunken und Pizza gegessen. Er schenkte mir ein Lächeln des Wiedererkennens und der Freude und verschwand in der Pizzeria. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich und dann folgte die zweite Überraschung. Sie hatten eine neue Kellnerin.
Doch auch sie kannte ich. Früher war sie in einer anderen Pizzeria, im Nebenort, welches das zweite Lokal war, wo ich dauernd abhing. Sie hatte mir tausendmal etwas zu trinken gebracht, doch erinnerte mich nicht mehr an ihren Namen. Auch sie erkannte mich und plauderte wie vor 16 Jahren. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert in den vergangenen Jahren. Das Essen war auch noch genauso gut wie vor Jahren, nur dass sich die Speisekarte enorm verändert hatte. Aber zum Guten.
Da der Inhaber der Pizzeria ein Türke ist, war sie auch schon immer ein Treffpunkt für die türkische Gemeine im Ort gewesen. Und so ist es noch heute. Die Gruppe türkischer Männer zeigte allerdings kein Wiedererkennen. Nur der Besitzer überlegte woher er mich kannte – zumindest wenn ich seinen fragenden Blick richtig deutete.
Die Schichtarbeiterin die sich ihr Feierabendbier holte, zeigte allerdings nicht, dass sie sich an mich erinnerte. Ich kannte sie allerdings von der Ferialpraxis, als ich mich selbst als Schichtarbeiterin versuchte – die bisher lehrreichste Erfahrung meines Lebens. Ihr Sohn allerdings kannte mich. Er lächelte mich nicht nur an und begrüßte mich herzlich, er überlegte auch ob er mich anquatschen sollte. Zumindest seiner Körpersprache nach.
Alles in allem kann ich sagen, in den letzten 16 Jahren hatte sich hier nicht sehr viel verändert. Und ich weiß nicht ob ich das gut oder schlecht finde. Damals bin ich genau vor diesem Trott geflüchtet. Ich hatte Angst dass mein Leben stupide immer in denselben Bahnen verlaufen könnte, würde ich bleiben wo ich war. Doch diese Wiedertreffen und auch überwiegend positiven Reaktionen auf meine Person, lässt meinen Heimatort nun in einem viel angenehmeren Licht erscheinen. Vor 16 Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich mich in dem Ort nicht mehr blicken lassen brauche. Meine Freunde waren enttäuscht, dass ich gegangen war. Doch die Zeit heilt vielleicht doch die eine oder andere Wunde.
Ich habe mich auf jeden Fall bedeutend wohler gefühlt, als in den letzten Jahren. Zuerst war ich hier zu Hause. Dann habe ich den Ort und die Menschen verlassen. Dann habe ich sie über ein Jahrzehnt gemieden. Und mittlerweile dürfte ich ein gern gesehener Besucher sein. Ich muss sagen das gefällt mir.
© Libellchen, 2013