Erklärung

Am Donnerstag war ich ja bei einer Lesung aus den Buchmanuskripten meines Großvaters. Ich ging aus mehreren Gründen dorthin.

1. Meine Mutter machte die Lesung
2. Er war mein Großvater

Es war für mich einfach eine Selbstverständlichkeit. Und ich hatte keinerlei Erwartungen an den Abend, als ein paar „alte“ Freunde der Familie wieder zu sehen. Umso unverhoffter trafen mich die Erkenntnisse dieses Abends.

Ich war ja als Kind ein richtiges Opa-Kind. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen und so waren sie mehr oder weniger Elternersatz – auch wenn ich regelmäßigen Kontakt zu meinen Eltern hatte. Meine Großeltern waren meine Bezugspersonen. Meine Großmutter notgedrungen, mein Großvater wahlweise. Wir waren viel unterwegs, verbrachten sehr viel Zeit zusammen. Bis ich mit 16 auszog war eigentlich alles gut. Ich war zwar sehr behütet, beschützt und null selbständig, aber wir verstanden uns gut. Doch als ich auszog bekam dieses Verhältnis einen Riss.

Meine Großeltern nahmen es persönlich. Dabei wollte ich sie nicht verlassen, sondern ich wollte zu meiner Mutter und mein eigenes Zimmer. Mit 16 dachte ich wäre es selbstverständlich dass ich auch so etwas wie Privatsphäre wollte. Doch egal wie oft ich versuchte mich zu erklären, sie waren damals sehr enttäuscht von mir – und es war das erste Mal, wo ihre Enttäuschtheit nicht half mich zu kontrollieren. Zuvor hatten konnten sie mich sehr gut damit kontrollieren. Ich habe immer alles getan um sie nur ja nicht zu enttäuschen. Doch damals war die Zeit für mich gekommen. Es war Zeit flügge zu werden. Und so nahm ich auch den Riss in Kauf.

Danach waren wir nicht mehr so vertraut als zuvor, doch ich liebte meinen Großvater trotzdem über alles. Ich war ihm für sehr vieles dankbar und ich schaute zu ihm auf. Bis zu einem verhängnisvollen Tag im Februar 2011. Damals reichte es mir. Ich war so sauer und wütend auf ihn, dass ich mir das alles nicht mehr antun wollte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Das legte sich nach ein paar Monaten zwar wieder, aber die Kluft konnten wir bis zu seinem Tod trotzdem nicht mehr überbrücken. Ich söhnte mich zwar aus mit ihm, doch eigentlich war es mir damals egal was er über mich dachte. Es war mir nicht mehr wichtig.

Und dann kam diese Woche diese Lesung. Ich hatte schon früher versucht in den Manuskripten zu lesen, doch wirklich weit gekommen bin ich nicht. Ich fand die Worte einfach zu mühsam zum Lesen. Und dann hat das lesen netterweise meine Mutter übernommen und plötzlich lernte ich meinen Großvater noch mal ganz neu kennen. Ich habe neues über ihn erfahren. Kann ihn jetzt besser verstehen als jemals zuvor. Plötzlich macht sein Verhalten in vielen Bereichen einen Sinn. Vieles für mich unverständliche, lag auf einmal klar und verständlich vor mir. Und ich konnte tatsächlich wirklich Frieden mit ihm schließen. Da ist keine Wut und Enttäuschung mehr. Ich wünsche mir nur mehr dass es, wo immer er auch ist, friedlich ist.

Abgerundet wurde der Abend dann noch durch die Frage eines Bekannten, ob ich gewachsen sei, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Natürlich war ich das nicht, was ich ihm auch sagte. Doch er beharrte darauf, dass ich mich verändert hatte. Ich verwies auf meine Frisur, doch er meinte ich wirke größer und das habe nichts mit der Frisur zu tun. Eine Viertelstunde später fragte mich eine andere Bekannte, wie viel ich abgenommen habe. Woraufhin er ganz überrascht auflachte und meinte „Das ist es!“

© Libellchen, 2013

2 Kommentare zu “Erklärung

  1. Zu später Stunde möcht ich nicht stören,
    vielleicht freuts dich von mir zu hören!
    Ich möchte nur noch eines wagen:
    dir herzlich ‚Guten Wochenstart‘ zu sagen. 😉

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