Kleine Kinder fremdeln ja oft – heißt sie sprechen nicht mit fremden Menschen. Ich hab mir das irgendwie bis ins Erwachsenenalter behalten. Als Teenager lernte ich alle neuen Menschen ausschließlich dann kennen, wenn ich etwas getrunken hatte. Nüchtern verstummte ich. Das musste sich legen als ich zu arbeiten begann. Ich stand plötzlich vor der Herausforderung mit Menschen telefonieren zu müssen, die ich nicht kannte.
Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und legte meine Zurückhaltung großteils ab. Wenn ich heute versuche jemanden zu erklären dass ich eigentlich total schüchtern bin, will mir das niemand glauben, da ich mein berufliches – ich spreche auch mit fremden Menschen – teilweise auch in mein Privatleben übertragen habe. Allerdings mit Einschränkungen. Wenn mir im Freundeskreis jemand vorgestellt wird, dann spreche mit der Person. Doch ich würde nicht jemand total fremden in einem Lokal ansprechen – egal ob Mann oder Frau.
Einen Rest von – mit fremden Menschen spricht man nicht – ist noch immer in mir. Früher war es für mich eine totale Überwindung fremde Menschen nach dem Weg zu fragen. Heute kann ich das schon, doch wenn ich nicht etwas brauche, dann komme ich gar nicht auf die Idee fremde Menschen anzusprechen.
Für mich war es echt ein langer Weg bis hierher. Ich kann mich noch gut erinnern an Zeiten wo ich nicht mal mit den Verkäufern in Geschäften sprechen wollte, einfach weil ich mich dabei total unwohl fühlte. Wenn ich wissen wollte wie etwas geht, las ich nach. Ich fragte nicht. Es war nicht sehr schön damals. Vieles machte mir Angst. Ich hatte Angst, dass man mir nicht helfen würde. Die Angst vor Zurückweisung war allgegenwärtig.
Wie gesagt, das legte sich durchs arbeiten. Doch trotz allem suche ich nach wie vor nicht die Gesellschaft von fremden Menschen. Ich kann zwar mittlerweile alleine wo hin gehen wo ich niemand kenne – zum Beispiel zum See. Doch reden will ich dort trotzdem mit niemand.
Wenn ich allerdings wo bin, wo ich mich zu Hause fühle – zum Beispiel bei ChrisTina – dann spreche ich sehr wohl auch mit wildfremden Menschen.
Ich fasse also noch mal zusammen
1. Im Büro spreche ich mit höchstrangigen fremden Menschen wenn notwendig
2. Im Freundeskreis spreche ich mit neuen Bekannten
3. In Geschäften spreche ich mit Verkäufern
4. Ansonsten bleiben fremde Menschen, fremde Menschen
Umso erstaunlicher sind die Begebenheiten in den letzten Wochen. Ich habe zwei neue Nachbarn kennen gelernt. Also ich habe wirklich mit ihnen gesprochen. Wir haben uns nicht nur gegrüßt und sind unserer Wege gegangen. Nein, ich weiß dass der eine am selben Tag Geburtstag hat wie ich – nur 7 Jahre jünger ist. Und dass der andere bis vor kurzem bei seinem Bruder gewohnt hat und gerade erst am einziehen ist. Und gestern habe ich mit einer alten Dame beim Müllplatz übers Wetter unterhalten. Ich weiß für die meisten von euch wird das nicht sehr aufregend sein, aber für mich ist das absolut untypisch. Ich schätze mal ich bin gerade dabei auch den letzten Rest vom fremdeln abzulegen – wird eh schon Zeit! 🙂
© Libellchen, 2013
Schön. Mir geht es genauso, im Laufe der Zeit wird es aber immer besser.
Denk ich auch 🙂