Immer wieder Thema und immer wieder spannend ist die selektive Wahrnehmung der Menschen. Gleich vorweg, ich nehm mich da selbst auch nicht aus. Ich habe sehr oft in der Vergangenheit Dinge einfach nicht sehen wollen und dadurch hab ich sie auch gar nicht wahr genommen. Und ich gehe auch nicht davon aus, dass ich in der Zukunft davon verschont werde. Aber wenn ich meine eigenen Highlights diesbezüglich schon für krass halte, so sind meine Mitmenschen teilweise noch viel schlimmer.
Jeder Mensch schließt von sich auf andere. Jeder Mensch beurteilt eine Situation auf genau die Weise, die ihm möglich ist. Und diese Möglichkeiten beruhen oftmals auf Erlebnissen aus der Vergangenheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen die ich kenne, bin ich mir dieses Umstandes allerdings bewusst. Ich versuche nicht mehr vorschnell zu urteilen, auch wenn mich jemand verletzt. Denn auch wenn ich betroffen bin, muss es ja noch lange nicht so gemeint sein. Doch viele Menschen können das nicht. Die sehen die Welt nur aus ihrer Sicht und es interessiert sie auch gar nicht, dass andere Menschen eine andere Sichtweise haben.
Und sie interessieren sich auch gar nicht für die Hintergründe ihrer Umwelt. Sie kennen nur ihre kleine Welt. Daher sind sie allerdings auch Argumenten gegenüber nicht aufgeschlossen. Wenn sie sich von einem Satz, einer Situation, Lebensumständen oder ihren Mitmenschen angegriffen fühlen, dann sind sie auch angegriffen worden. In genau so einem Umfeld bin ich groß geworden. Doch mittlerweile umgebe ich mich mit Menschen, die über den Tellerrand hinausschauen können. Ich kenne also beide Seiten. Und ich ziehe das tolerante Umfeld den verbohrten, engstirnigen Menschen auf jeden Fall vor.
Und doch habe ich genug von den engstirnigen Menschen in meinem Umfeld. Genauer gesagt im Büro. Und so halten sich beide Gruppen in meinem Leben die Waage. Auf der einen Seite die aufgeschlossenen Menschen, die auch versuchen hinter die Fassaden zu blicken und jene die sich für andere Menschen gar nicht interessieren. Und diese Ausgewogenheit kostet mir manchmal sehr viel Kraft. Mit verbohrten Menschen zu diskutieren bringt nichts. Eine Erkenntnis die ich schon als Kind hatte, als ich mal versucht habe meinen Großvater von etwas zu überzeugen. Und auch wenn ich das schon sehr lange weiß, habe ich es doch immer wieder versucht.
Doch in den letzten Jahren nicht mehr allzu oft. Menschen die zu selektiv Dinge wahrnehmen sind einfach nur mühsam. Und doch haben sie auch dafür ihre Gründe. Manche sind leicht zu durchschauen. Meistens sind sie getrieben von Angst. Stellt sich immer nur die Frage wovor genau. Bei vielen ist es die Angst vor Veränderung. Das erkenne ich mittlerweile recht gut, wahrscheinlich weil ich jahrzehntelang von genau dieser Angst getrieben worden bin. Doch es gibt auch noch viele andere unterschiedliche Motivationen. Und meistens versuche ich auch herauszufinden, warum boshafte Menschen, boshaft sind. Allerdings nicht immer.
Es gibt Menschen die mag ich einfach nicht. Und bei denen ist es mir ehrlich gesagt egal was sie antreibt mich verletzen zu wollen. Ich kann und will nicht die ganze Welt therapieren. Mir ist wichtig dass es meiner Familie, meinen Freunden und mir gut geht. Für alle anderen bin ich nicht zuständig. Wenn ich jemanden mag der der nicht zu dieser Gruppe gehört, und ich helfen kann, tue ich es trotzdem. Doch ich werde sicher keinen Menschen helfen, die ich nicht mag. Und ganz oben auf der Liste der Menschen die ich nicht mag, stehen jene, bei denen das Glas immer fast leer ist. Die eigentlich eh alles haben, aber so damit beschäftigt sind, darauf zu schauen was andere noch mehr haben, dass sie den ganzen Tag nur rumjammern wie arm sie nicht sind.
Mein Vater hat mir letztens gesagt, dass das jammern, eine typisch österreichische Eigenschaft ist. Und damit hat er sicher recht. Ich kenne aber genug Österreicher, die nicht jammern. Die durch die Hölle gegangen sind und nun ihre Mitte gefunden haben. Die mit Liebe die Welt verändern wollen, obwohl ihnen in der Vergangenheit genug Leid widerfahren ist. Diese Menschen mag ich. Diese Menschen tun mir gut. Die anderen können mir gestohlen bleiben. Sie dürfen gern auch weiterjammern, allerdings nicht in meiner Nähe. Ich habe mir in den letzten 2 Jahren angewöhnt, zu gehen wenn Gespräche ins Gejammer kippen. Wahrscheinlich wirkt das unhöflich, aber das ist mir egal. Da bin ich lieber unhöflich, als dass mir meine Lebenszeit von Menschen gestohlen wird, denen es einfach viel zu gut geht. Denn wenn es ihnen nur einmal in ihrem Leben wirklich schlecht gegangen wäre, wären sie jetzt nicht am jammern, sondern würden ihr Leben genießen.
© Libellchen, 2012