Für wirklich große Gefühle brauch ich meine Zeit. Wenn ich mich über etwas freue, dann fängt das ganz langsam an, steigert sich dann und dauert dann auch extrem lange an. Als mir der Muserich das erste Exemplar vom süßen Typen in die Hand drückte, war ich erstmal baff. Erst nach ein paar Minuten habe ich realisiert das ich mein Buch in Händen halte. Das der Inhalt des Buches von mir geschrieben worden ist. Das meine Gedanken und Gefühle den Weg in ein Buch gefunden habe.
Seit heute weiß ich, bei Trauer ist es genau so. Die Tränen kommen nicht gleich. Sie kommen zeitverzögert. Wie auch immer, sie haben den Weg gefunden. Sie fließen und ich lasse es auch zu. Ich habe irgendwie die Hoffnung, wenn ich sie jetzt raus lasse, dann sind bis zum Begräbnis alle Tränen geweint. Die Hoffnung diesbezüglich ist allerdings nicht sehr groß.
Vor 2 Jahren ist ein Mitarbeiter von mir gestorben. Er ist in Urlaub gegangen und nicht mehr wieder gekommen. Er ist mit knapp über 50 verstorben. Und ich hatte nicht wirklich ein nahes privates Verhältnis zu ihm. Wir haben tagtäglich zusammen gearbeitet, aber privat wusste ich so gut wie gar nichts von ihm. Damals kamen die Tränen erst beim Begräbnis. Ich war für alle meine Mitarbeiter da und hab sie gestützt, doch beim Begräbnis bin ich damals zusammen gebrochen.
Am Freitag beerdige ich meinen Großvater. Der Mann der in den letzten Monaten nicht gerade nett zu mir war, doch an die letzten Monate denke ich auch nicht. Ich denke an die Momente als ich mit ihm als Kind unterwegs war. Als er mit mir zu Fuß zum Bauern Milch holen geganen ist und wir dabei ein Lied geträllert haben. Ich denke daran wie ich glaubte zu ertrinken, als er mir das schwimmen beibrachte, um dann doch von ihm gehalten zu werden. Ich denke an die unzähligen Male als wir durch die Wälder gestreift sind und Blumen für die Omi gepflückt haben. Ich denke daran dass wir stundenlang Walzer tanzten auf den Bällen im Ort. Oder auch daran wie wir im Erlebnisbad zusammen rumtollten. Ich denke an seine Diavorträge, wo er uns Bilder zeigte von der großen, weiten Welt. Ich denke an die Zahnradbahn auf den Schneeberg, inklusive Buchtelessen bei der Zwischenstation. Es sind Momentaufnahmen einer sehr schönen Zeit.
Es sind die Highlights die mir durch den Kopf gehen und mir die Tränen in die Augen treiben. Ich weiß es war nicht nur so schön, ich weiß es gab auch Schattenseiten. Aber egal wie sehr er mich heuer auch verletzt hatte, er hat mich auch groß gezogen. Und ich glaube ich bin ganz gut geraten, also dürfte er auch viel richtig gemacht haben.
Ich werde diese Highlights in meinen Gedanken und in meinem Herzen behalten, auch wenn das bedeutet, dass die Tränen noch ein wenig anhalten.
© Libellchen, 2011