Einzigartig

Ich bin einzigartig! Das ist weder positiv noch negativ gemeint, sondern es ist einfach eine Feststellung. Ich bin ein einzigartiges Individuum, so wie jedes andere Lebewesen auf diesem Planten auch.

In einer anderen Abteilung, gibt es einen Kollegen der mit mir und meiner Stellvertreterin hin und wieder zu tun hat. Manchmal telefonieren wir, manchmal sehen wir uns. Und er verwechselt mich und meine Stellvertreterin ständig. Sie sprach er mit meinem Namen an und mir erklärte er oftmals, wir hätten ja eh erst vor kurzem telefoniert, obwohl wir schon wochenlang nichts mehr miteinander zu tun hatten. Und wenn ich dann meine Stellvertreterin fragte, bestätigte sie mir dann immer, dass sie mit ihm gesprochen hatte. Er konnte uns einfach nicht unterscheiden. Nun gut, vielleicht haben wir eine ähnliche Stimme? Der Name ist nämlich nicht ähnlich. Wobei, er kennt uns ja auch persönlich….

Vor kurzem hatten wir ein Projekt, wo ich mit ihm zusammen gearbeitet hatte. 10 Stunden saßen wir in einem Lehrsaal und arbeiteten miteinander. 2 Tage danach, schickte er mir sogar ein kleines Dankeschön, für meine Hilfe. Nun, ich dachte, er kennt mich nun. Doch das war ein Irrtum. Gestern war er wieder bei uns, und da hat er in meinen Augen echt den Vogel abgeschossen. Er hat mich nicht gegrüßt. Ich hab dann überfreundlich „Hallo!“ gesagt, woraufhin er mich perplex anschaute und meinte, wir hätten uns ja eh schon im Lehrsaal gesehen, 5 Minuten zuvor. Nur, ich war nicht in dem Lehrsaal. Meine Stellvertreterin hingegen hat den Lehrsaal hergerichtet. Ja, gibt’s denn das? Ich war total sauer.

Ich bin meiner Stellvertreterin überhaupt nicht ähnlich. Wäre dem so, würde ich meine Wohnung nicht mehr verlassen. Mich mit ihr zu verwechseln, ist das schlimmste was man meinem Ego antun kann. Ich weiß, dass er einfach nur ignorant ist. Ihm ist es egal, wer ihm seine Arbeit abnimmt. Ihn kümmert es einfach nicht, wer da grad vor ihm steht. Doch mich  interessiert es, wenn man mich verwechselt. Es gibt Verwechslungen, die treffen mich mehr als andere. Wenn mich jemand mit meiner Mutter verwechselt, kein Problem. Ich weiß, ich bin ihr aus dem Gesicht geschnitten. Das ist in Ordnung. Aber mit meiner Stellvertreterin! Das geht echt gar nicht. Das einzige was ich mit ihr gemeinsam habe, ist die Größe – in etwa. Wir sind uns weder optisch ähnlich, noch von der Denk- und Arbeitsweise, noch vom Charakter, noch sonst irgendwie.

Mich hat diese Verwechslung echt tief getroffen. Ich bin einzigartig! Ich will nicht mit jedem verwechselt werden!

Nun, vielleicht sollte ich dann auch anfangen, mich zu zeigen. Vielleicht sollte ich aufhören meine Einzigartigkeit in mir zu verstecken. Vielleicht sollte ich aufhören unsichtbar zu sein. Dann könnten auch meine Mitmenschen meine Einzigartigkeit entdecken. Bei dem Kollegen wird das wahrscheinlich trotzdem nichts helfen, aber egal. Ihn hab ich ja nur gebraucht, damit er mir einen Stups in die richtige Richtung gibt.

© Libellchen, 2011