Abendritual

Die kleine Seele schaukelte in ihrer Hängematten in ihrem definierten Ego und dachte über die Veränderungen der letzten Monate nach. So vieles war passiert, hatte sich verändert. Ihre Einstellung zu vielen Dingen, ihr Befinden, ihr Umfeld. Sie hatte ihre Höhle verlassen und war in ihr definiertes Ego gezogen. Hier fühlte sie sich total wohl. Von ihrer Hängematte aus konnte sie auf den Flatscreen sehen, wo sie vom definierten Milzzentrum laufend Warnmeldungen bzw. Hinweise auf Synchronizitäten bekam. Sie hatte auch den Verbindungsgang zu ihrem Milzzentrum schön dekoriert, da sie nun mehrmals am Tag den Weg ging. Ihr gefiel das Bild auf der anderen Seite des Ganges. Seit die kleine Seele die Entscheidungsgewalt über ihr Leben an ihr Bauchgefühl übergeben hatte, war hier irre viel los. Den ganzen Tag galt es das Beste für die kleine Seele herauszuholen und das Milzzentrum war bisher sehr erfolgreich gewesen.

Und so hatte sie es sich in ihrer Hängematte gemütlich gemacht. Das Milzzentrum kümmerte sich um die Entscheidungen und der Generator machte die Arbeit. Sie selbst beschränkte sich auf die schönen Seiten des Lebens. Ihr Kopf war offen wie eh und je. Doch seit sie ihm die Entscheidungsgewalt weggenommen hatte, hatte er seine Tätigkeit stark reduziert. Der Müßiggang der kleinen Seele hatte auch den Kopf angesteckt. Es war einfach viel zu anstrengend sich über alles Gedanken zu machen. Viel lieber ließ er sich jetzt Geschichten einfallen. Hin und wieder flog ihm ein Gedanke zu und aus dem wurde dann eine Geschichte gestrickt. Dem Kopf gefiel seine neue Aufgabe total gut. Er hatte seine anfängliche Skepsis überwunden, und sich mit seiner neuen Freiheit angefreundet. Er war nicht mehr verantwortlich, er hatte jetzt alle Freiheit zu tun und zu lassen was er wollte.

Die beste Entscheidung der kleinen Seele war aber auf jeden Fall das Engagement der beiden Bodyguards. Ursprünglich waren sie ja vor ihrer Höhle gestanden und hatten aufgepasst, da sie aber ihre Höhle jetzt als Abstellraum nutzte und es sich in ihrem definierten Ego gemütlich gemacht hatte, hatte sie die zwei aufgeteilt. Der eine bewachte ihr offenes Wurzelzentrum, der andere ihr offenes Emotionalzentrum. Wobei offen waren die beiden Zentren eigentlich nicht mehr wirklich. Die kleine Seele hatte die beiden Zentren mit Glas umschlossen. Der einzige Zugang zu dem jeweiligen Zentrum war eine Tür, vor der jeweils ein Bodyguard wachte.

Trotzdem kamen tagsüber hin und wieder negative Energien durch den Türspalt. Sie hatte alles Mögliche versucht, doch eine Kleinigkeit schummelte sie sich immer wieder rein, und so hatte die kleine Seele die Bodyguards beauftragt, jeden Abend das ihnen zugewiesene Zentrum, zu lüften. Die Türen wurden geöffnet und die Luft konnte ungehindert fließen. Die Bodyguards schnappten sich dann jeden Abend einen Besen und kehrten alles was nicht reingehörte einfach bei der Tür wieder raus. Nach 5 Minuten lüften und kehren, waren die Zentren wieder leer wie sie gehörten. Und da beim Lüften der Wind auch durch ihren Kopf blies, war auch der gereinigt, und so schlief die kleine Seele dann ganz unbelastet ein.

Seit sie das abendliche Ritual eingeführt hatte, gab es kein Grübeln mehr am Abend. Keine Probleme die ihr den Schlaf raubten. Entweder hatte sie die Dinge schon vorm schlafen gehen aufgeschrieben, oder sie wurden dann abends einfach rausgekehrt. Und dazu musste die kleine Seele noch nicht mal von ihrer Hängematte aufstehen.

©  Libellchen, 2011

2 Kommentare zu “Abendritual

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