Die Dusche hatte ihr gut getan. Sie fühlte sich wie neu geboren. Doch nun stand sie vor dem nächsten Problem. Vor ihrem Kleiderschrank. Irgendwie hatte sie nur Kleidung in der sie wie ein Clown aussah. Sie hatte keine normalen Sachen. Nur lauter bunte, einfach geschnittene T-Shirts. Wie war sie bloß zu diesem Sammelsurium an Kleidung gekommen. Sie überlegte, wann sie das letzte Mal einkaufen war. Irgendwie kaufte sie immer im selben Geschäft ein. Sie suchte sich ein passendes Shirt aus und kaufte es dann gleich in mehreren verschiedenen Farben. Sie hatte noch nie viel Wert auf Kleidung gelegt, obwohl sie genug Geld hätte um sich schönere Kleidung zu kaufen. Doch für das Treffen mit Tom kamen diese Überlegungen definitiv zu spät. Sie wählte das in ihren Augen kleinste Übel und beruhigte sich damit, dass Winter war, und wenn sie nur spazieren gingen, würde er eh nicht sehen, was sie unter ihrer Winterjacke trug.
Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, das es höchste Zeit war. Wenn er pünktlich war, würde er schon unten vor der Tür warten. Sie zog sich schnell an und stürmte die Treppen hinunter, bevor sie noch überlegen konnte, was wohl auf sie zukommen würde. Und tatsachlich er stand bereits vor ihrer Tür. „Ich dachte schon du hast auf mich vergessen.“ Sein Lächeln war offen und herzlich. Diese wunderschönen Augen und diese Lächeln verzauberte sie. Und vor allem galt es ihr. Bei dem Gedanken blieb ihr fast die Luft weg.
Sie schlenderten durch den Ort und plauderten und unterhielten sich. Er erzählte ihr seine ganze Familiengeschichte. Er war ein richtiger Familienmensch. Das hatte sie nicht erwartet. Sie hatte ihn eher für einen Draufgänger gehalten. Doch offensichtlich hatte sie sich in ihm getäuscht. Da er so gut aussieht, war sie davon ausgegangen dass er ein oberflächlicher Schönling war. Doch er war herzlich und mitteilsam und sie genoss seine Gesellschaft enorm. Sie fühlte sich wohl bei ihm. Sie konnte ganz sie selbst sein. Sie erzählte ihm sogar ein, zwei Sachen aus ihrem Leben. Und sie hatte das Gefühl, dass er sich wirklich für sie interessierte.
So schlenderten sie durch den Ort bis sie an einem Kaffeehaus vorbeikamen. „Was hältst du von einer heißen Schokolade?“ Die Frage überraschte sie. Er wollte echt mit ihr im Kaffeehaus etwas trinken? Das würde ja bedeuten, dass er ihre Gesellschaft auch genoss, denn sonst hätte er den Spaziergang ja so schnell wie möglich beendet. Ganz in Gedanken hatte sie vergessen ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben. Er stand vor ihr und schaute sie fragend an. „Ja, gern“ stammelte sie. Sie gingen ins Kaffeehaus und wurden sofort von warmer Luft eingehüllt. Sie hatte gar nicht bemerkt wie kalt es draußen war. Sie genoss Tom´s Anwesenheit so sehr, dass sie alles um sich herum vergaß. Im Kaffeehaus war fast nichts los was Marie sehr gelegen kam.
Sie setzten sich an kleinen Tisch und bestellten 2 heiße Schokoladen. Sie redeten und lachten. Marie war fasziniert. Noch nie hatte sie sich so gut mit jemandem verstanden und noch nie hatte sie so viel von sich erzählt. Doch sie fühlte dass sie ihm vertrauen konnte. Und so öffnete sie ihr Herz ein wenig. Sie verbrachten über eine Stunde in dem Kaffeehaus und setzten dann ihren Spaziergang fort. Nach 4 Stunden war sie wieder zu Hause. Er hatte sie bis zu ihrer Haustüre gebracht und sich für die Gesellschaft bedankt. Und er hatte gefragt, ob sie das das nächste Wochenende wiederholen könnten, wenn er wieder bei seiner Großmutter war. Natürlich hatte sie zugestimmt und ihm auch noch ihre Telefonnummer gegeben, damit er sie anrufen konnte. Jetzt war Marie zurück in ihrem Zimmer und konnte das erlebte noch gar nicht richtig fassen. Was für ein Wochenende! Hatte sie einen Freund gefunden? Gab es tatsächlich Hoffnung für sie? Sollte es wirklich einen Menschen geben, der sie mochte? Sie lag auf ihrem Bett und lies das ganze Wochenende noch mal Revue passieren und während sie an seine schönen Augen dachte, schlief sie mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
© Libellchen, 2011