Am frühen Abend begann der Aufbruch. Die „Jugend“ machte sich auf in die Dorfdisco. Marie lebte in einem kleinen Ort, wo jeder jeden kannte und wo es genau 2 Lokale gab, wo man abends hingehen konnte. Eine Pizzeria mit dem Discostüberl und ein Kaffeehaus, das abends zur „Cocktailbar“ wurde. Beides kannte sie von Besuchen tagsüber. In der Pizzeria war sie schon öfter mit ihren Eltern gewesen und im Kaffeehaus hatte sie schon mal Nachhilfe gegeben. Doch abends hatte sie die beiden Lokale noch nie besucht. Doch heute sollte sich das ändern.
Als ihre Cousins gerade mit ihren Freundinnen aufbrechen wollten, machte ihre Mutter den glorreichen Vorschlag, sie mögen Marie doch mitnehmen. Marie merkte dass ihre Cousins von der Idee genauso begeistert waren, wie sie selbst. Was sollte sie den dort? Aber es half nichts, wenn sich ihre Mutter was in den Kopf gesetzt hatte, lies sie es sich nicht mehr ausreden. Marie spürte wie ihre Achselhöhlen vor Angst feucht wurden. Sie wollte nicht mitgehen, aber sie wollte auch nicht ihrer Mutter widersprechen. Also fügte sie sich. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden.
In dem Lokal angekommen, sorgten ihre Cousins augenblicklich dafür, so viel Abstand wie möglich von ihr zu bekommen. Das überraschte Marie nicht wirklich. Mit ihr in Verbindung gebracht zu werden, war sicher nicht sehr förderlich für das Ansehen im Ort. Und so stand Marie alleine in einer Ecke im Discostüberl und überlegte was sie tun sollte. Sie spürte die Blicke auf ihr und sie fühlte sich von Minute zu Minute unwohler. Sie überlegte ob sie einfach nach Hause gehen sollte. Aber wenn sie vor ihrer Mutter zu Hause war, würde die sicher wissen wollen wie es war, und warum sie schon da war. Und was sollte sie dann sagen? Es war wie immer. Ich stand alleine in einer Ecke und die gesamte Menschheit hat mich ignoriert? Ihre Mutter wäre nicht so begeistert, wenn sie draufkam, dass ihre einzige Tochter eine Versagerin ist. Bisher hatte sie noch nie gefragt, warum Marie nie ausging, oder warum nie eine Freundin zu Besuch kam. Doch wenn sie jetzt nicht noch ein wenig unterwegs war, würde sie vielleicht draufkommen, dass ihre Tochter der einsamste Mensch auf der Welt war.
Und so stand sie und überlegte, was sie tun sollte. Dabei sah sich um. Die Mädchen neben ihr waren total hübsch angezogen und geschminkt. Da erst viel ihr auf, dass sie eigentlich total hässlich war. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf zusammen gebunden, Schminke besaß sie sowieso nicht, ihre Jean war alt und ausgebleicht und ihr T-Shirt war nicht nur unvorteilhaft geschnitten sondern auch noch knallig gelb. Kein Wunder dass sie sich beobachtet fühlte, sie war ja auch total auffällig gekleidet und stach natürlich raus. Wenn auch nicht positiv. Die Leute mussten sie für eine Vollidiotin halten, in diesem Aufzug in die Disco zu gehen. Es reichte Marie. Egal was ihre Mutter von ihr halten würde. Sie wollte nur noch nach Hause in ihr Bett.
© Libellchen, 2011