Bin ich ein böser Mensch weil ich über meine Zeit selbst verfügen will? Ich denke nicht. Und doch hat genau deshalb mein Vater ein neues Problem mit mir. Wir arbeiten ja im selben Unternehmen. Es ist eine sehr große Firma und wir haben beruflich nichts miteinander zu tun. Wir sehen uns noch nicht mal, wenn wir uns nicht extra ein Treffen ausmachen. Lange Zeit ging die Initiative dafür immer von mir aus. Ich hab einmal die Woche bei ihm angerufen und mich auf einen Kaffee eingeladen. Als er jedoch begonnen hat über meine Mutter herzuziehen und mich auf einmal bevormunden wollte, hab ich damit aufgehört. Ich hab ihn zwar weiterhin angerufen, wie er auch mich, doch ich hab mich nicht mehr selbst auf einen Kaffee eingeladen. Da er auch kein Treffen vorgeschlagen hat, haben wir uns schon ein paar Wochen nicht gesehen.
Unser Big Boss hat für den Sommer ein großes Fest geplant. An einem Sonntag. Na super! Ich pendel am Tag 100 km in die Arbeit und retour. Am Wochenende bin ich froh wenn ich das Auto stehen lassen kann und nicht in die Stadt muss. Ich hab also nicht in Erwägung gezogen hinzugehen. Und dann bin ich draufgekommen, dass das Fest genau in meinen Urlaub fällt, wo ich sowieso nicht im Land bin. Somit hat sich das Thema für mich sowieso erledigt. Mein Vater andererseits engagiert sich für den firmeneigenen Freizeitverein und ist somit auch in die Veranstaltungsplanung involviert. Ich hab das zwar nicht gewusst, aber mein Chef war so nett mir davon zu erzählen, und so kam es zu folgendem Telefonat:
Ich: Hey, ich hab gehört du engagierst dich für das Fest. Wie war die Begehung?
Er: Ja alles bestens. Ich hab dich übrigens schon eingeteilt zum Helfen.
Ich: Wie helfen? Wobei?
Er: Na aufn Fest. Hinter der Bar.
Ich: Das glaub ich nicht.
Er: Es gibt eh Überstunden!
Ich: Schön, ich bin trotzdem Ausland.
Er: Ja aber das Fest! Ich hab dir doch schon eine Aufgabe zugedacht.
Ich: Wie gesagt, ich bin nicht im Land!
Erkennt ihr die Problematik? Ich bin 33! Die letzten 14 Jahre habe ich immer selbst entschieden wie ich meine Freizeit verbringe! Doch deswegen bin ich noch lange kein böser Mensch. Natürlich sieht mein Vater das ein wenig anders. Ich lasse ihn im Stich. Wenn er mich einfach vorher gefragt hätte, dann wäre er jetzt nicht so enttäuscht von mir.
Es gibt Menschen die sind der Meinung er wird es noch lernen, dass Kommunikation hilfreich sein kann. Ich bezweifle das. Viel eher glaube ich, dass er einen Weg finden wird, dass wieder meiner Mutter in die Schuhe zu schieben. Sie fährt zwar nicht mit in den Urlaub, aber das stört ihn bei seinen wirren Konstrukten nicht wirklich. Ich werd mit ihm nicht darüber reden. Ich hab keine Lust auf Streit. Außerdem will er es eh nicht hören. Als ich das letzte Mal versucht habe ihm zu erklären, dass ich schon ein großes Mädchen bin und meine Entscheidungen ganz alleine treffe, hat er mir nur erklärt ich sei schon ganz wie meine Mutter. Ja so selbständige Frauen sind echt anstrengend. Na für mich nicht. Wohl eher nur für Männer die meinen alle Frauen müssen springen wenn sie schreien. Also ich spring nur mehr wenn ich will und nicht wenn mich jemand anderer einteilt! In diesem Sinne sollte ich ihm vielleicht noch mal die Geschichte von der Todesliste erzählen, vielleicht versteht er ja den tieferen Sinn.
© Libellchen, 2011
War das Telefonat an dieser Stelle zu Ende? Weil so gesehen erkenne ich da noch nicht Enttäuschung oder etwas anderes – für mich klingt es nach einer etwas überraschten Feststellung. Eigentlich kann man nur spekulieren. Es könnte sein dass er den Kontakt zu Dir sucht und Dich deswegen ohne vorheriges Nachfragen eingeplant hat. Warum also denkst Du, dass er Dir böse ist? Hat er Dir Vorwürfe oder so etws gemacht oder findet dieses Szenario in Deinem Kopf statt – weil es schon immer so war? Jedenfalls scheint es Dir nicht gleichgültig zu sein was er von Dir denkt…
Naja, der enttäuschte und vorwurfsvolle Ton am anderen Ende war schon eindeutig. Und dass er sich danach wieder mal für ein paar Tage gemeldet hat, tat sein übriges. Und natürlich ist es mir nicht egal. Doch ich werde es schon noch lernen, dass ich mich immer mies fühle. Und wenn er Kontakt sucht, kann er jeden Tag den Hof überqueren und mich besuchen, da braucht er mich nicht an einem Sonntag zum Arbeiten einteilen, wo wir dann ja erst wieder nicht reden könnten. Er könnte mich auch fragen ob ich ihn und seine Frau besuche, ich würd mich sogar darüber freuen wenn er mal Initiative zeigen würde. Aber wie gesagt, fragen! Nicht einteilen.
…dass ich mich nicht immer mies fühle…
Ich hoffe für ihn dass er akzeptieren kann dass Du nicht mehr das kleine Mädchen bist und das er dann auch in der Lage ist von Erwachsenem zu Erwachsenem mit Dir zu reden – ohne Kontrollzwang. Das kann ihn nur bereichern und mit Stolz erfüllen, aber dazu muss er den bisherigen Zorn, Frust und sicher auch Stolz erst mal loswerden.