Verhör

Es war ein sonniger Samstag Morgen Ende Jänner 2006. Das Libellchen war heute das erste Mal vor ihrem Freund auf. Normalerweise war er der Frühaufsteher, doch heute schlief er wie ein Baby. Doch das Libellchen war putzmunter, also stand sie auf.

Sie kümmerte sich um ihre Morgentoilette, machte sich einen Kaffee und wartete ob er aufwachte. Doch er schlief immer noch. Also beschloß sie ein Spielchen am PC zu machen, sie hoffte daß er munter war sobald der Computer hoch gefahren war. So wie die Zigarette an der Bushaltestelle.

Doch heute funktionierte es nicht. Der PC lief, doch ihr Freund schlief immer noch. Eigentlich wollte sie ja gar nicht spielen. Sie wollte eigentlich einen Ausflug machen. Das Wetter war so schön, das mußte man nutzen. Sie könnte ja erstmal ihre Mail checken. Seit ihrem Fast-Jobverlust und der damit verbundenen Jobsuche, bekam sie immer noch Mails von Firmen die sie kennen lernen wollten. Sie wollte zwar eh nicht wechseln, aber sie fand sie sollte den Firmen zumindest absagen.

Sie öffnete das Mailprogramm. Irgend etwas stimmte nicht. Da sah sie was sie irritierte, das war gar nicht ihre Mailbox, sondern seine! Sie wollte schon das Fenster schließen als ihr Bauch grummelte. Irgend etwas stimmte hier nicht. Die Box war leer. Na und? Wieso irritierte sie das? Weil er gestern am späten Abend noch ein Mail an einen Freund geschickt hat und normalerweise war er nicht so penibel, dass er eingegangene Mails gleich löscht.

Sie konnte spüren dass sie einem entscheidenden Punkt angelangt war. Wegschauen oder suchen?! Nach all dem was in letzter Zeit passiert war, entschied sie sich für suchen. Doch sie nahm sich selbst das Versprechen ab, daß sie wenn sie nix fand, ihn nicht länger verdächtigen würde.

Sie schaute in den Ordner gesendete Nachrichten und da fand sie nichts. Nicht nur nichts verdächtiges, sondern gar nix. Das schürte ihren Verdacht nur noch mehr.

Sie klickte auf den Ordner gelöschte Nachrichten und da war sie. Die Mail, die ihr Leben verändern sollte. Das Libellchen las die ursprüngliche Nachricht und alle Antworten. Und als sie fertig war, begann sie von vorne.

Das konnte jetzt nicht wirklich sein Ernst sein! Sie war rasend vor Wut und trotzdem dachte sie darüber nach, ob sie das Wissen ignorieren sollte um ihre Beziehung zu retten.

Sie schloß das Mailprogramm und starrte auf den Bildschirm. Da hörte sie, dass er wach war. Sie ging ins Wohnzimmer und da stand er. Lächelte sie an und fragte was sie frühstücken wollte.

Und da konnte sie nicht mehr. „Ich will nicht frühstücken, ich will reden.“ „Was gibt es denn?“ er setzte sich auf die Couch. Sie setzte sich ihm gegenüber hin und antwortete „Das würde ich gerne von dir wissen.“ Er stellte sich dumm. „Ich weiß nicht was du hast, was ist denn los?“

„Lüg mich nicht an, ich weiß es.“ Dieser Satz wurde die nächste Stunde zu ihrem Mantra. Zuerst tat er so als ob er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. Doch je öfter sie den Satz wiederholte desto nervöser wurde er. Er hatte keine Ahnung wieviel sie wußte, und woher sie was wußte. Seine Gedanken konnte sie ohne Schwierigkeiten in seinem Gesicht ablesen.

„Lüg mich nicht an, ich weiß es.“

Und nach einer Stunde fing er tatsächlich an zu erzählen. Doch das, was er ihr sagte, verletzte sie noch mehr, als die Mail die sie gelesen hatte.

© Libellchen, 2011

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